„Sachlicher Teilplan Erneuerbare Energien“- Stellungnahme des Kreises

Rede zu TOP 14 der 19. Sitzung des Kreistags Darmstadt-Dieburg 
am 07.04.2014
Antrag der Fraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau Vorsitzende, sehr geehrte Damen und Herren,

am 13.12.2013 hat die Regionalversammlung den „Sachlichen Teilplan Erneuerbare Energien“beschlossen. Seit dem 24.02.2014 erfolgt die Offenlage und in der Zeit vom 28.03. bis 09.05.2014 haben die Kommunen die Möglichkeit, Stellungnahmen zu diesem Plan einzureichen.

Der Plan weißt 2,8% der Fläche des Landes Hessen als Windvorranggebiete aus. Innerhalb dieser Flächen können künftig Windkraftanlagen errichtet werden. Für den Landkreis Darmstadt-Dieburg sind Windvorranggebiete in Schaafheim, Groß-Umstadt, Roßdorf, Ober-Ramstadt, Groß-Bieberau, Otzberg und Reinheim vorgesehen. Da die Windvorranggebiete des Regionalplans eine so genannte Ausschlusswirkung haben, können künftig nur Windkraftanlagen, die innerhalb dieser Gebiete geplant sind, genehmigt werden. Kriterien zur Ermittlung der Vorranggebiete im Regionalplan waren:

  • Eine Mindestfläche von 10 ha
  • Eine Windhöfigkeit von mindestens 5,75m/s
  • Eine Mindestabstandsfläche von 1000 m zu Siedlungen

Der aktuelle Entwurf des „Sachlichen Teilplans Erneuerbare Energien“ basiert auf den Vorgaben des Landesentwicklungsplans der ehemaligen schwarz-gelben Landesregierung. Diese wollte, wie an dem Plan deutlich zu erkennen ist, die Energieerzeugung  durch Windkraftanlagen bremsen. In der Konsequenz wird auch die Energiewende durch diesen Plan verzögert. Diese kann jedoch nur gelingen, wenn Bund, Länder und Kommunen unter sorgfältiger Abwägung aller Vor- und Nachteile die Möglichkeiten zur Erzeugung von Erneuerbaren Energien so weit wie es möglich und sinnvoll ist ausschöpfen. Selbstverständlich müssen parallel auch die Potenziale von Energieeinsparung und Energieeffizienz erschlossen und genutzt werden. Doch die aktuelle Umsetzung der Energiewende verläuft in die verkehrte Richtung:

Es wird mehr Kohle verbrannt. Der CO2-Ausstoß ist dadurch enorm und befeuert geradezu den Klimawandel mit all seinen negativen ökonomischen und ökologischen Folgen. Neue Stromtrassen werden hauptsächlich zum Transport des Kohlestroms benötigt.

Die Dezentralisierung der Energieerzeugung ist ein wichtiger Baustein der Energiewende, es soll dort produziert werden, wo Energie gebraucht wird. So wird die Bevölkerung vor Ort einerseits in die Verantwortung genommen und andererseits kann sie an der Wertschöpfung teilnehmen.

Der Landkreis Darmstadt-Dieburg ist heute in punkto Energieerzeugung durch Windkraft in Teilen schon weiter als es der „Sachliche Teilplan Erneuerbare Energien“ zulässt:

Im Kreisgebiet sind derzeit 9 Windkraftanlagen in Betrieb, zum Teil seit 20 Jahren. Es handelt sich um 5 WKA auf der „Neutscher Höhe“ im Gebiet der Gemeinden Modautal und Seeheim-Jugenheim und um 4 Windkraftanlagen auf dem Binselberg im Gebiet von Groß-Umstadt.

Nur die beiden neuen Windkraftanlagen auf dem Binselberg liegen in einem der jetzt geplanten Vorranggebiete. Folglich ist eine dauerhafte Nutzung der jetzigen Standorte auf der Neutscher Höhe und in Groß-Umstadt nicht gesichert. Die GRÜNEN sind der Ansicht, dass es im Sinne der Energiewende geradezu widersinnig ist, auf die dauerhafte Nutzung von bewährten Standorten für Windenergie zu verzichten.

Darüber hinaus verhindert der Plan die weitere Identifizierung von geeigneten Standorten, selbst wenn bereits vorbereitende Gutachten wie z.B. am Weißen Berg in Mühltal im Ortsteil Nieder-Beerbach vorliegen. Laut diesem Gutachten gilt der Standort derzeit als technisch und wirtschaftlich zu erschließende Fläche mit einer Windhöfigkeit von 6,2 m/s. Es gibt aber, wenn der „Sachliche Teilplan Erneuerbare Energien“ in seiner jetzigen Fassung Rechtskraft erlangt, keinerlei Chancen, dort eine Windkraftanlage zu realisieren. Der Standort ist verloren als Beitrag zur Energiewende und der Gemeinde gehen mögliche Einnahmen aus Gewerbesteuer oder Pacht verloren. Ähnliches ließe sich für andere Kommunen darstellen.

Wir wollen, dass den Kommunen mehr Eigenverantwortung und Selbstbestimmung zur Energieerzeugung zugestanden wird.

Verschiedene Gemeinden im Kreis diskutieren deshalb oder haben bereits  beschlossen, auch Einwendungen gegen den vorliegenden Entwurf zu erheben. Sie sehen ihre Planungshoheit gefährdet, sie wollen weiterhin die Möglichkeit der Einzelfallprüfung auf soliden Fachdaten von geeigneten Standorten haben oder sie wollen ihre bestehenden Anlagenstandorte rechtlich absichern. Dies sind die Kommunen Griesheim, Mühltal, Seeheim-Jugenheim, Ober-Ramstadt, Modautal und Roßdorf.

Ein weiterer Mangel des Planes ist, dass die der Ausweisung von Vorranggebieten zugrunde gelegte Windhöfigkeit nur teilweise auf Messungen, in weiten Teilen aber auf Berechnungsmodellen beruht. Deshalb ist es nicht zu akzeptieren, dass im Teilplan die Mindestgeschwindigkeit von 5,75m/s Ausschlusswirkung hat. In der Praxis kann es durchaus sein, dass ein Gebiet nach Messungen die geforderte Durchschnittsgeschwindigkeit erreicht, aber der Bau einer Windkraftanlage dort unmöglich ist, weil das Berechnungsmodell dort z.B. nur 5.5m/s errechnet hatte und deshalb keine Windvorrangfläche vorgesehen wurde.  

Selbstverständlich müssen vor der Genehmigung alle erforderlichen Gutachten, z.B. zu Vogelschutz, Naturschutz, Lärmemissionen, Verschattung und Erschließung eingeholt werden und diese müssen die erforderlichen Voraussetzungen erfüllen.

Außerdem ist auch eine angemessene Bürgerbeteiligung unerlässlich.

Diese unumstößlichen Bedingungen werden aber auch dazu führen, dass sich einige von den im „Sachlichen Teilplan Erneuerbare Energien“ bereits ausgewiesenen Vorranggebieten als nicht geeignet für Windkraftanlagen herauskristallisieren werden.

Eine weitere Unsicherheit stellt die Flugsicherung dar. Wenn deren Einschränkungen im geforderten Umfang Berücksichtigung finden und deshalb einige Vorrangflächen aus dem Plan genommen werden müssen, wird mit dem vorliegenden Entwurf das Ziel, 2% der Landesfläche für Windkraftanlagen zur Verfügung zu stellen, gefährdet sein. Doch dies ist nach Meinung der GRÜNEN eine von vielen wichtigen Mindestvoraussetzungen, damit die Energiewende gelingen kann.

Deshalb wollen wir mit einer Einwendung des Kreises erreichen, dass der „Sachliche Teilplan Erneuerbare Energien“ dahingehend geändert wird, dass im Einzelfall auf die Ausschlusswirkung der Vorranggebiete verzichtet wird oder nachträglich neue Vorranggebiete aufgenommen werden können.

Wir bitten um Ihre Zustimmung zu diesem Antrag.