Kündigung der Mitgliedschaft im SENIO Zweckverband

Kreistag 17.02.20, F. Battenberg
Sehr geehrte Frau Vorsitzende, meine sehr verehrten Damen und Herren,
Schon mehrfach hatte ich an dieser Stelle zur Situation des SENIO-Zweckverbandes Stellung bezogen. Das, was ich damals ausgeführt hatte, könnte ich heute in gleichen Worten wiederholen, da sich an der Situation seither im Grunde nichts geändert hat. Neu ist lediglich, dass der Zweckverband seit einigen Monaten nicht mehr in der Lage ist, mit eigener Kraft aus der Krise herauszukommen, sondern nur durch die von der Kommunalaufsicht bestellten Beauftragten gemäß § 141 HGO. In den beiden letzten SENIO-Verbandsversammlungen hat sich immerhin gezeigt, dass nun endlich etwas Ruhe eingekehrt ist. Die Äußerungen der neuen Verantwortlichen, darunter besonders des neuen Vorsitzenden Landrat Schellhaas wie auch des Beauftragten Bürgermeister Helfmann, lassen den ernsthaften Willen erkennen, die Strukturkrise zu überwinden und die Auflösung des Verbands voranzutreiben. Sichtbar wurde dieser Willen auch darin, dass die Jahresabschlüsse der SENIO bis einschließlich 2017 inzwischen geprüft vorliegen und derjenige von 2018 zurzeit abschließend geprüft wird. Damit liegen belastbare Zahlen vor, auf die eine Vermögensauseinandersetzung für den Fall der Auflösung basiert werden kann.
Inzwischen scheint klar zu sein, dass die SENIO ihren ursprünglichen Zweck erfüllt hat, nachdem alle beabsichtigten Bauvorhaben erledigt und weitere Investitionen in absehbarer Zeit nicht mehr zu erwarten sind. Bereits in einem in der Kreistagssitzung vom 1. November 2017 auf Antrag der Koalition beschlossenen Forderungskatalog wurde der Zweckverband aufgefordert, über die Modalitäten seiner Auflösung zu beraten. Der daraufhin in der Kreistagssitzung vom 9. September vergangenen Jahres beschlossene Auflösungsantrag wurde von den beiden Vertretern des Landkreises im Zweckverband nach Maßgabe des Kreistagsbeschlusses in der Dezembersitzung der SENIO eingebracht und dort diskutiert. Eine Beschlussfassung über diesen Antrag kam in dieser wie auch der ihr folgenden Verbandsversammlung allerdings nicht zustande, weil die Versammlung mehrheitlich der Auffassung war, es lägen noch nicht alle Voraussetzungen für eine Umsetzung vor. Insbesondere sollten, so das Votum des vorsitzenden Beauftragten, sollte erst über die anstehende Vermögensauseinandersetzung Klarheit geschaffen werden, damit die verbandsangehörigen Gemeinden die Konsequenzen der Auflösung rechtzeitig in ihrer Haushaltsplanung berücksichtigen könnten.
Kontrovers wird eigentlich nur noch darüber diskutiert, welches Verfahren bei der Auflösung des SENIO-Verbands beschritten werden kann, um möglichst wenig Schaden anzurichten. Dem Antrag der Linken ist zuzugestehen, dass dort richtig erkannt wurde, dass mit der SENIO-Auflösung auch das Schicksal der Gersprenz gGmbH betroffen ist. Es kann kein einfaches Zurück in den vorigen Stand geben, denn die SENIO wurde ja gerade zu dem Zweck gegründet, das damals in eine finanzielle Schieflage geratene „Kleeblatt“ Gersprenz wieder zu stabilisieren. Mit der SENIO-Auflösung muss also zugleich mitbedacht werden, dass die Gersprenz, die mit einer soliden Geschäftsführung im Pflegebereich gute Arbeit leistet, nicht in den Strudel der Unsicherheit gezogen wird. Wir tragen Verantwortung nicht nur für die Mitarbeitenden, sondern auch für die dort betreuten alten Menschen. Deshalb erscheinen uns die Forderungen des ergänzenden Linken-Antrags durchaus unterstützenswert; dies gilt insbesondere für Punkt 4 des Antrags, der die öffentlich-rechtliche Trägerschaft der Gersprenz garantieren soll. Allerdings hat der Landkreis zu keinem Zeitpunkt über eine Privatisierung der Gersprenz verhandelt; doch es kann nichts schaden, dies nochmals hervorzuheben. Über die übrigen Punkte des Linken-Antrags sollte zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht entschieden werden. Ob mit der Auflösung der SENIO eine Änderung des Gersprenz-Gesellschaftsvertrags, etwa durch Erweiterung der von ihr wahrzunehmenden Aufgaben und Pflichten, angestrebt werden sollte, muss zu gegebener Zeit von der SENIO oder bei deren Abwicklung verhandelt und entschieden werden. Der Kreistag sollte hier nicht schon im Vorfeld Vorgaben machen.
Unter diesen Umständen sind wir über den Antrag der CDU auf Kündigung der Mitgliedschaft des Landkreises etwas überrascht. Wir verstehen die Ungeduld der CDU und auch ihr Anliegen, durch weiteren Druck zur schnellen Realisierung der SENIO-Auflösung zu gelangen. Doch gibt dieser Antrag zugleich ein fatales Signal an die Öffentlichkeit und würde zugleich der Gersprenz-gGmbH neuen Grund zur Verunsicherung bieten. Auch wenn dies vielleicht so nicht gemeint war: Nicht ohne Grund würde der Eindruck entstehen, der Landkreis ziehe sich aus seiner Verantwortung zurück, die er durch Gründung der SENIO selbst übernommen hatte. Nein: Der Landkreis sollte in der Pflicht bleiben und das sinkende Schiff nicht vorzeitig verlassen; stattdessen sollte er für ein geordnetes Auflösungsszenario sorgen.
Die Kreiskoalition hat daher mit ihrem Änderungsantrag einen gangbaren Weg aufgezeigt, wie man aus diesem Dilemma herauskommen könnte: Die anstelle des Vorstands bestellten Staatsbeauftragten sollten bis Jahresende ein tragfähiges Konzept zur Vermögensauseinandersetzung vorlegen und darüber in einem Zwischenbericht über den Kreisausschuss nach der Sommerpause informieren. Damit wird der notwendige zeitliche Druck aufgebaut, um die seit nunmehr fünf Jahren geführte Diskussion um das weitere Schicksal des Zweckverbands zu einem tragfähigen Ergebnis zu bringen. Sollte sich dann abzeichnen, dass die notwendigen Schritte zur Auflösung des Verbands ausbleiben, sollte der Landkreis die Konsequenzen, wie sie im CDU-Antrag beschrieben wurden, ziehen.
Wir von der Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN meinen, dass dies ein zweckdienliches Verfahren ist, und bitten daher um Zustimmung für diesen Koalitionsantrag.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit