Konnexitätsprizip

Friedel Battenberg

Sehr geehrte Frau Vorsitzende, meine sehr verehrten Damen und Herren,

Es gibt wohl niemanden in diesem Kreistag, der der Meinung ist, die Finanzausstattung des Landkreises Darmstadt-Dieburg sei so reichlich, dass zumindest die gesetzlich zugewiesenen Aufgaben ohne weiteres im Rahmen des geltenden Haushaltsrechts erledigt werden können. Insofern, denke ich, besteht Einigkeit bei allen Parteien darüber, dass der Landkreis alle ihm zur Verfügung stehenden rechtlichen und politischen Mittel einsetzen muss, um aus dieser Zwangslage der Unterfinanzierung herauszukommen, um wieder größeren Handlungsspielraum zu gewinnen. Wir von der Fraktion von Bündnis 90/DIE GRÜNEN halten allerdings nichts davon, durch Appelle, Proteste und Belehrungen an die Adresse der hessischen Landesregierung oder gar an die Bundesregierung unserem Unmut öffentlich Luft zu machen. Bewirkt wird dadurch nichts, und man hat dann allenfalls das Gefühl, Entschlossenheit demonstriert und etwas getan zu haben. Beide Anträge, sowohl der von den Linken wie derjenige der FDP-Fraktion, müssten insofern eigentlich abgelehnt werden. Der Linken-Antrag zur Verfassungsklage hat sich ohnehin erledigt, da gerichtliche Klagen der Landkreise bereits erhoben wurden. Es bleibt jedem unbenommen, politischen Kontakt mit den Fraktionen des Landtags oder anderen Gremien aufzunehmen, in Wiesbaden oder Berlin zu demonstrieren und Protestschreiben abzufassen. Dies alles aber ist nicht Aufgabe des Kreistages.

Dennoch denken wir, dass angesichts der hohen politischen Bedeutung des Konnexitätsprinzips eine begrenzte Ausnahme vom Tabu des Resolutionscharakters eines Antrags gemacht werden kann, wenn zwei Voraussetzungen gegeben sind: Erstens muss der Landkreis nachprüfbar in seinen Selbstverwaltungsrechten betroffen sein, und zweitens muss der Adressat der Resolution in der Lage sein und auch die Kompetenz dazu haben, Abhilfe zu schaffen oder wenigstens zu veranlassen. Dies ist wenigstens teilweise der Fall.

Hinsichtlich der Bundesregierung muss dies allerdings verneint werden. Zwar werden 75 bis 90 % der Bundesgesetze von den Kommunen vollzogen; doch sind seit der Föderalismusreform von 2006 Aufgabenübertragungen vom Bund an Kommunen ausdrücklich untersagt, so dass bei Verstößen allenfalls die Landesregierung gefragt ist, die ihrerseits gegenüber dem Bund den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Konnexität geltend machen kann.

Der Appell an die Landregierung erscheint im Gegensatz dazu sinnvoll. Ich muss allerdings sagen, dass die Ausgestaltung des hier einschlägigen Art. 137 Abs. 6 der Hessischen Verfassung deutlich schwächer ist, als vergleichbare Regelungen in anderen Bundesländern. Die Rechtslehre hat indes einige Grundsätze aufgestellt, die von der Landesregierung beachtet werden müssen. Durch die Regelung soll vor allem verhindert werden, dass infolge der Übertragung von Pflichtaufgaben an eine Kommune der Spielraum für freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben unangemessen verengt wird und damit die verfassungsrechtlich gewährleistete Selbstverwaltungsgarantie leer läuft. Aus diesem Grund wird der zitierte Artikel, der nur von der „Erfüllung staatlicher Aufgaben“ spricht, auch auf Selbstverwaltungsaufgaben ausgedehnt, für die ggf. Kostenausgleich geleistet werden muss. Nach einhelliger Meinung der Rechtslehre zählt zum Tatbestand der Übertragung neuer Aufgaben an die Gemeinden bzw. die Veränderung bestehender Aufgaben auch die Veränderung von Standards, durch die faktisch eine Mehrbelastung entsteht. Ob ein Appell an die Landesregierung, hier ihren Pflichten nachzukommen, ausreichen wird, wird davon abhängen, dass ein solcher juristisch fundiert vorgetragen wird.

Wichtiger scheint mir indes die Einschaltung des Landkreistages. Nach dem Finanzausgleichgesetz vom November 2002 ist er übrigens ohnehin mit einem eigenen Verreter in der Konnexitätskommission vertreten und kann von innen heraus Einfluss nehmen. Da er als politischer Verband die Interessen der Landkreise wahrnimmt, ist er in jedem Fall der geeignete Ansprechpartner. Hier kommt hinzu, dass keine hessische Kommune ebenso wenig wie die Landkreise eigenständig gegen die Verletzung des Konnexitätsprinzips beim Staatsgerichtshof klagen können. Dies wird durch den Wortlaut von Art. 137 Abs. 6 ausgeschlossen, der von der Mehrbelasten der Gemeinden oder Gemeindeverbänden „in ihrer Gesamtheit“ (so die wörtliche Formulierung) spricht. Eine Aktivlegitimation haben hingegen die Gemeindeverbände, wenn sie die Gesamtheit ihrer Mitglieder – der Landkreistag also die Landkreise – vertreten, weil bei einer Verletzung des Konnexitätsprinzips der zentrale Gehalt des Selbstverwaltungsrechts der Kommunen betroffen ist.
Da die Landesregierung durch die Erhöhung von Standards bei Sozialleistungen wie auch bei der stillschweigenden Übertragung und Erweiterung von bestehenden Aufgaben offenkundig die Prinzipien der Konnexität außer Acht lässt – man denke nur an die notwendig gewordenen zusätzlichen Stellen für die Amtsvormundschaft und die Beratung von erzieherisch tätigen Personen, was faktisch eine Erweiterung der Landkreisaufgaben bedeutet, womit zugleich die Finanzausgleichsgarantie der hessischen Verfassung verletzt wird, ist es höchste Zeit, dass eine Klärung über den Staatsgerichtshof herbei geführt wird. Nur eine solche kann Rechtssicherheit gewährleisten. Die erwähnte Konnexitätskommission ist dazu nicht in der Lage, da sie von den Mitgliedern der Landesregierung und dem Rechnungshofpräsidenten dominiert wird und nur die Funktion der Erstellung von Berichten hat. Wird die Übertragung oder Veränderung einer Aufgabe zulasten einer Kommune vorab verneint, ist die Kommission überhaupt nicht betroffen. Insofern muss hier auch der Landkreis initiativ werden und ggf. eigene Berechnungen anstellen, um einen Finanzausgleich zu erhalten.

Die Fraktion von Bündnis 90/DIE GRÜNEN kann daher nur in der geänderten Fasung der Koalition Antrag der FDP zustimmen.