Haushalt 2014 und HH-Sicherungskonzept

Kreistag 24.02.14
– Brigitte Harth – 

Die üblichen Rituale bei der HH-Debatte?

Seit vielen Jahren schon sind Haushaltsdebatten im Kreis vom Kampf ums Sparen geprägt.

Entsprechende Rituale gibt es zwischen Opposition und Koalition. Die Koalition, die ja aktiv die Politik gestalten will und muss, gibt immer mehr Geld für ihre Ziele aus, als ihr die Opposition zugestehen will. Das liegt in der Natur der Sache. Und schon deshalb ist es die angestammte Oppositionsrolle, darüber zu klagen, dass nicht genug gespart wird. Übrigens gilt dies – das zeigt ein Blick über den Tellerrand – völlig unabhängig von der politischen Farbenlehre. Die Zeiten, in denen die sog. wirtschaftsnahen Parteien CDU und FDP sich als die besseren Sparer hinstellen konnten, sind lange vorbei. Die Verschuldung im Land Hessen etwa ist in den vergangenen Jahren massiv ausgeweitet worden.

 

Konkrete Sparvorschläge? 

Es gibt übrigens nur einen Weg, aus der ritualisierten Debatte in eine inhaltliche Debatte zu kommen: konkrete Sparvorschläge – was zugegebenermaßen bei so komplexen Fragen wie beim Haushalt besonders schwierig und deshalb auch leicht auszuhebeln ist (ich erinnere an den Frust der CDU bei vergangenen HH-Debatten). Diesen Weg wählt in unserer Debatte um den Kreishaushalt diesmal auch nur eine der Oppositionsfraktionen: FW/PP. Und auch hier hält sich der Mut zur Konkretion in Grenzen: Effizienzsteigerungen bei Personal und Gebäudemanagement – da kann ja niemand dagegen sein; interkommunale Zusammenarbeit – ohnehin etwas, was sich die Koalition auf die Fahnen geschrieben hat; ÖPNV auf Auslastung prüfen – da sind wir Grüne höchst skeptisch, aber dazu später mehr.

Der konkreteste Vorschlag der CDU ist die Vorlage der Liste der freiwilligen Leistungen – vermutlich, um dort Sparpotential zu ergründen.

Insofern fasse ich zusammen: Kaum Konkretisierungen des Sparwillens bei der Opposition.

 

Sparwillen zeigen!

Nun kann die Opposition natürlich trotzdem von der Kreisregierung erwarten, dass sie spart, so gut es eben geht, und dass sie diesen Sparwillen auch deutlich zum Ausdruck bringt. Wir teilen hier ausdrücklich nicht die Haltung der Linken, die sich dem Sparen strikt verweigert und sich insofern aus einer ernsthaften Haushaltsdebatte völlig raushält. Wir stehen schon heute in der Schuld zukünftiger Generationen und müssen deshalb die Umverteilungs-debatte nicht nur in der Dimension „arm – reich“, sondern u. a. auch in der Dimension „alt – jung“ sehen.

Tut die Kreisregierung das also – Sparwillen demonstrieren?

Der Landrat hat angekündigt, bis zum nächsten HFA die ersten konkreten Einsparmöglichkeiten aufzuzeigen, über die das Parlament dann entscheiden muss. Bis dahin gilt letzten Endes ein externes Kriterium: Bis dahin bemisst sich das Ausmaß des Sparwillens primär an der Genehmigungsfähigkeit unseres Haushalts durch das Regierungspräsidium.

Für die Zukunft allerdings wird es unsere Aufgabe sein, eigene politische Kriterien fürs Sparen zu entwickeln, und einfach wird dies nicht.

 

Balance-Akt

In den letzten Jahren hat sich der Konsolidierungs-Druck deutlich erhöht, und es wird immer klarer, dass wir die Leistungen der öffentlichen Hand eigentlich zusammenstreichen müssen.

Gleichzeitig nimmt die gesellschaftliche Debatte eine völlig andere Richtung, und der Katalog staatlicher Leistungen erweitert sich stetig. Ich nenne hier nur drei von mehreren Themen, an denen wir Leistungen erweitert haben und erweitern mussten: Inklusion bzw. Integration von behinderten Kindern in Schulen, Entwicklung zur Ganztagsschule hin und Kinderbetreuung für unter 3-jährige. Es gibt also eine Auseinander-Entwicklung von gesellschaftlichen Ansprüchen und finanziellen Möglichkeiten. Und die kommunale Ebene ist diejenige, die diesen Tanz auf dem Vulkan als einzige allein mit allen Schwierigkeitsgraden zu meistern hat.

 

Spar-Konzepte

  • Verlagerung von Aufgaben auf andere
    Denn von den verschiedenen Ansätzen zu sparen ist eine der beliebtesten Möglichkeiten die Verlagerung von Aufgaben auf andere. Die Landes- und Bundesebene nutzen diese Einspar-Möglichkeit immer besonders gern – auf Kreis- und kommunaler Ebene gibt es diese fast gar nicht mehr: Den Letzten beißen die Hunde. Hier bleibt oft noch als einzige Verlagerungsmöglichkeit, auf ehrenamtliches und bürgerschaftliches Engagement zu setzen, und zu verordnen ist das nicht.
  •  „Überflüssiges“ identifizieren
    Ein anderes Spar-Konzept: „Überflüssiges“ identifizieren. Dies war schon der Auftrag der Konsolidierung-AG vor einigen Jahren, allerdings mit mäßigem Erfolg. Nach solchen Positionen im Haushalt sucht vermutlich die CDU, wenn sie eine Liste der freiwilligen Leistungen will. Und im Ausschuss gab es ja schon die Andeutung, dass das Familien- und das Faschingsfest des Landrats vielleicht 2014 zum letzten Mal stattfinden werden. Viel „Überflüssiges“ aber werden wir nicht mehr finden, schon zu lange steht der Kreis unter Sparzwängen.
  • Aufgaben streichen
    … das sind die richtig schweren Gänge eines Konsolidierungsmarsches, die sich viele gerne ersparen würden, und das steht uns noch bevor. Dies könnte z. B. heißen:

    • Keine Förderung der Sportvereine mehr durch mietfreie Überlassung der Sporthallen.
    • Keine Mittel mehr für Betreuende Grundschulen im Kreis.
    • Keine Schulsozialarbeit an Kreisschulen.
    • Keine Wirtschaftsförderung im Kreis.
    • Keine ÖPNV-Angebote in (zu) ländlichen Räumen usw.

Und Sie merken schon bei dieser kurzen Aufzählung, wie viel Herzblut da an einigen Punkten hängt.

  • Eindampfen
    Die Methode „Eindampfen“ hat uns mit der Ergänzungsvorlage immerhin fast 9 Mio. € weniger Defizit eingebracht. Indem alles mit spitzem Stift noch mal durchgerechnet worden ist. Wo immer es möglich und wahrscheinlich war, ist „Luft rausgelassen“ worden. Gut, es ist nicht alles unser Verdienst, z. B. dass die Zinsen so niedrig sind, dass wir fast 3 Mio. einsparen können, und es ist auch nicht unser Verdienst, dass die LWV-Umlage um1.7 Mio. sinkt. Aber wir nehmen das dankend zur Kenntnis und finden: Auch Eindampfen ist Sparen! Die teilweise deutlich verringerten Ansätze etwa im Bereich der Jugendhilfe setzen den Budget-Verantwortlichen im Vollzug schlicht Grenzen; das übliche Polster in der Planung entfällt; das Augenmerk aufs Geld muss steigen. Für den Kreistag wird hier sicherlich interessant sein, an welchen konkreten Stellen sich Standards verändern und mit welchen Auswirkungen. Welche Auswirkungen hat es z. B., dass die Sozialpädagogische Familienhilfe nur noch 12 und nicht mehr 18 Monate angesetzt wird?

 

Alles zu langsam?

Und zum Schluss zur Tempo-Frage: Wir Grüne haben viel Verständnis, wenn die Oppositionsfraktionen darüber klagen, dass der Konsolidierungsprozess zu langsam in Gang kommt. Nicht ganz zu Unrecht ist im Ausschuss gesagt worden, dass es primär die politischen Entscheidungen von oben sind, die beim Sparen benötigt werden, und dass diese zeitnah gefällt werden können und müssen.  Auf der anderen Seite braucht es, und da hat Klaus-Peter Schellhaas recht, Zeit zum Nachdenken und Abwägen, bevor Aufgaben zusammengekürzt oder ganz gestrichen werden:

  • Welche Folgen hat das Streichen von Leistungen und das Absenken von Standards und ggf. welche Folgekosten?
  • Welche gesellschaftlichen Strukturen werden zerstört und könnte dies ggf. aufgefangen werden und womit?
  • Wohin entwickelt sich Gesellschaft durch die Streichungen und wollen wir das?

Als schlechtes Spar-Beispiel ist uns allen noch die „Operation sichere bzw. düstere Zukunft“ der CDU-Landesregierung von 2003 im Kopf, die damals die Axt an die soziale Infrastruktur des Landes Hessen legte und etlichen Sozialinitiativen den Garaus machte. Um ein Wegbrechen z. B. von Frauenhäusern und Beratungsstellen zu verhindern, mussten damals Kreise und Kommunen einspringen, und wir haben das damals zähneknirschend getan.  Dieses Beispiel zeigt, dass Sparen im Handstreich durch Anordnung von oben auch nach hinten losgehen kann. Insofern lassen Sie uns noch ein wenig Geduld zeigen, und dann im nächsten HFA das gemeinsame Streich-Konzert beginnen!

Bündnis 90/Die Grünen stimmen dem vorliegenden Haushaltsentwurf und dem Haushaltssicherungskonzept zu und erwarten mit Spannung die weiteren Spar-Vorschläge