Verbesserung der Unterbringung und der Lebenssituation von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern im Landkreis Darmstadt-Dieburg

Sitzung des Kreistags am 17.06.2013  
Renate Schäfer-Baab

Sehr geehrte Vorsitzende, meine sehr verehrten Damen und Herren,
wenn  in unserem Landkreis Überlegungen  angestellt  werden, die  in die nun vorliegende Konzeption eingeflossen sind,  zeigt es uns, dass es hier um mehr geht, als  – der Notwendigkeit  gehorchend  – Flüchtlinge aufzunehmen, weil man sie halt aufnehmen muss. Das Flüchtlingsproblem ist dramatisch: Nach Schätzung der Hohen Flüchtlingskommission der Vereinten Nationen, UNHCR, sind weltweit etwa 45,2 Millionen Menschen heute auf der Flucht vor Krieg, Verfolgung, Menschenrechtsverletzungen oder auf der Suche nach einem menschenwürdigen Dasein. Sie müssen ihre Heimat und  ihr ganzes Hab und Gut aufgeben. Das geht uns alle an. Syriens Nachbarstaat Jordanien hat allein 700.000 syrische Flüchtlinge in Zeltstädten provisorisch untergebracht und versorgt sie täglich mit dem Nötigsten. Zu uns nach Deutschland kommen die wenigsten, viele bleiben in den armen Nachbarstaaten und so muss es uns hier ein Anliegen sein, die hier ankommenden Flüchtlinge wohlwollend und freundlich aufzunehmen und vor allem die Situation der Unterkünfte  so zu gestalten, dass ein friedliches Zusammenleben gefördert wird.
Inzwischen hat wohl jede und jeder von uns Erfahrungen mit der Situation von Flüchtlingen/Asylsuchenden in der einen oder anderen Weise gemacht. Die Suche nach geeigneten Unterkünften in den Kommunen des Landkreises hat sich oft  schwierig gestaltet.  In der nun vorliegenden Konzeption werden dazu wichtige Aussagen getroffen: Diese sollen möglichst in zentraler Lage, mit guter Anbindung an den ÖNPV und ausreichend Einkaufsmöglichkeiten, liegen. Dies ist wichtig, damit die Menschen nicht abgesondert leben, sondern sichtbar in unseren Gemeinden sind und dadurch auch eine nachbarschaftliche Anbindung und Integration  erleichtert wird.  Die ersten Tage und Wochen in einer Unterkunft nach der Zuweisung sind für die ankommenden Menschen von besonderer Bedeutung. Nach einem langen, oft abenteuerlichen Fluchtweg und dem Aufenthalt im zentralen Aufnahmelager in Gießen müssen sie sich nun wieder auf eine neue Umgebung und wieder andere Menschen einstellen. Um die Aufnahme reibungslos und angenehm zu gestalten, ist es besonders wichtig, eine Begrüßungskultur  in den aufnehmenden Gemeinden zu entwickeln. Die Nachbarn sind vorab darüber zu informieren und in das Geschehen einzubinden.
In Erzhausen, meiner Heimatgemeinde, war dies unserem Bürgermeister Seibold ein wichtiges Anliegen, er ging von Haus zu Haus und informierte persönlich. Und als dann immer noch Fragen auftauchten, lud er kurzfristig zu einem Informationsabend ein. Dies Einladung richtete sich an die Nachbarn der noch nicht belegten Gemeinschaftsunterkunft,  an die Mitglieder des inzwischen schon gebildete Arbeitskreises und die Christliche Flüchtlingshilfe Egelsbach/Erzhausen, die wesentliche Impulse für diese Arbeit gibt und sich ehrenamtlich in hervorragender Weise engagiert.  Dadurch ließen sich viele Bedenken und Ängste der Anwohner schon im Vorfeld minimieren. Als die erste Gruppe von Flüchtlingen dann ankam, war der Bürgermeister, seine Frau und auch Menschen aus dem Arbeitskreis ganz selbstverständlich zur Begrüßung da. Auch dies war vorbildlich und ist ein wichtiges Zeichen an die ankommenden Menschen, nämlich dass sie hier willkommen und in die Gemeinde aufgenommen sind. Die Aufnahme in Schulen, Kindergärten, Begleitung zu Ärzten, usw. wird inzwischen sehr gut  und unter großem persönlichem und zeitlichem Einsatz ehrenamtlicher Kräfte gestaltet. Auch ein Sprachkurs wurde eingerichtet. Wer diese Arbeit kennt, weiß, wie schwierig es manchmal ist, die sprachlichen Hürden zu überbrücken und die vielen neu auftauchenden Fragen zu klären.
Daher ist es ganz besonders wichtig, dass zumindest an einem Tag in der Woche eine sozialpädagogische Fachkraft des Landkreises in die Gemeinschaftsunterkunft kommt, sich um die Probleme der Menschen kümmert und Beratungen durchführt. Ein guter Hausmeister ist zwar auch wichtig, doch kann er sich natürlich nicht um die schwierigen sozialen Belange der Asylsuchenden kümmern.  Es wäre darüber hinaus wünschenswert, dass diese Hilfe noch ausgeweitet werden kann.
Nicht immer ist das Außengelände der Einrichtung für Kinder optimal, Platz zum Spielen fehlt, daher muss so zügig wie möglich eine Integration in die  Einrichtungen am Ort wie Kindergärten, Schulen, Sportvereine usw. angebahnt und gefördert werden. Um die notwendigen Kontakte herzustellen und die Familien bzw. ihre Kinder zu begleiten,  bedarf es wiederum der ehrenamtlichen oder der sozialpädagogischen Fachkräfte. Eine Befreiung von den Kosten sollte – wo immer dies möglich ist – auch für Fahrtkosten in die weitergelegenen Schulen(in denen Intensivkurse stattfinden) ohne bürokratischen Aufwand angestrebt werden, damit eine Integration vor allem der  Kinder und ihrer Eltern  in das Alltagsleben des Ortes stattfinden kann.
Eine gute Koordinierung zwischen Ehrenamtlichen und den sozialpädagogischen Fachkräften ist notwendig. Die Tabelle in der Konzeption zeigt auf,  wer für welche Belange zuständig ist. Auch das ist sehr nützlich.
An den gesetzlichen Vorgaben, die das Leben von Flüchtlingen oft beeinträchtigen, zu nennen wäre hier nur das mindestens zwölfmonatige Ausbildungs- und Arbeitsverbot, daran können wir im Landkreis wenig ändern. Das kann nur auf anderen politischen Ebenen geregelt werden. Hier im Landkreis können wir aber mit daran arbeiten, dass  Gemeinschaftsunterkünfte angemietet werden, die bestimmte Kriterien erfüllen, dass das Wohnumfeld und die Lebensgestaltung und die Betreuung von Asylsuchenden bei uns verbessert  werden. Dafür sollten wir uns unbedingt  einsetzen. Wir haben einen wunderbaren Satz in unserem Grundgesetz: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“. Das sollte gerade auch für die zu uns kommenden Menschen gelten und in unserm Landkreis  verwirklicht werden.
Die Fraktion von B90/Die Grünen  bedankt sich ausdrücklich für die gute Konzeption, in der wir nun eine Übersicht haben, was getan wird und von wem und wie die Situation der Menschen, die bei uns ankommen, noch weiter verbessert werden kann. Danke an Frau Sozialdezernentin Lück und allen, die daran mitgearbeitet haben. Mein Dank gilt  aber auch Herrn Koch vom Flüchtlings- und Integrationsamt  und ganz besonders den vielen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer in den Gemeinden, die bereit sind, mit Geduld an viele neue Fragen heranzugehen, die ihre Freizeit, ihre spezielle Kenntnisse einsetzen und einfach Mitmenschlichkeit praktizieren.