Unterstützung der Ehrenamtlichkeit und Stärkung der Asylarbeitskreise

KT Sitzung 04.05.2015
Christian Grunwald, Fraktion Bündnis90/Die GRÜNEN


Sehr geehrte Frau Vorsitzende,

Werte Kolleginnen und Kollegen,

Ca. 51 Millionen Menschen befinden sich weltweit nach Schätzungen des UNHCR auf der Flucht. Zu Recht bezeichnet der UN-Flüchtlingskommissar Antonio Guterres „Flucht und Vertreibung als die globale Herausforderung unserer Zeit.“

Dieser humanitären Herausforderung haben wir uns zivilgesellschaftlich als eine kommunal verantwortete Aufgabe zu stellen.

Bürgerinnen und Bürger unseres Landkreises zeigen in enger Zusammenarbeit mit den Landkreisbehörden in den Städten und Gemeinden ein schier unermüdliches, ehrenamtliches Engagement. Sie setzen das grundgesetzlich verbriefte Menschenrecht auf Asyl in menschenwürdiger Weise um. Sie etablieren die Willkommenskultur in unserer Region. Diese Willkommenskultur – getragen von den vielen Menschen in den Fördervereinen, den Asylarbeits- und Helferkreisen – benötigt einen soliden Rahmen: So kann man es auf die Formel bringen: eine dauerhafte Willkommenskultur, benötigt eine starke Willkommensstruktur!

Deswegen haben die Koalitionsfraktionen den Ihnen vorliegenden Antrag formuliert, die die Arbeit in Ehrenamt und Verwaltung stärken soll. Uns geht es auch um ein öffentlich artikuliertes Signal, dass wir die ehrenamtliche Arbeit wertschätzen und uns in der Pflicht sehen, Bedingungen für eine gelingende Hilfe herzustellen. Wir alle wissen, dass die ehrenamtliche Arbeit monetär nicht zu beziffern ist. Sie ist unersetzlich. Sie ist im Schulterschluss mit der behördlichen Aufgabenwahrnehmung der Garant für die Ausgestaltung eines menschenwürdigen Asylrechts. Diese Kräfte dürfen nicht ausbrennen. Die Politik muss Strukturen garantieren, dass diese Kräfte dauerhaft und langfristig bestehen, denn die Auslöser für Flucht und Vertreibung sind nicht beseitigt, im Gegenteil.
 
Mit der Finanzierung eines unabhängigen, nicht vom Landkreis organisierten Internet-Informationspools, sollen in die Helfernetze wichtige Informationen breit gestreut, die ehrenamtliche Arbeit erleichtert und beständig weiterentwickelt werden können. Hilfen, Angebote, Beratungswissen, Formulare, Tipps und Ansprechpartner sollen so schnell und aktuell verfügbar gemacht werden. Wir wissen, dass die Sozialdezernentin bereits mit kirchlichen und freien Trägern pro cura in Verhandlung getreten ist und unterstützen das nachdrücklich.

Die medizinische Versorgung der Flüchtlinge ist integraler Bestandteil eines menschenwürdigen Daseins. Der KA wird deswegen beauftragt zu prüfen, wie in Anlehnung an das sogenannte „Bremer Modell“ die Einführung einer Krankenkassen-Chip-Karte umgesetzt werden kann, weil

  1. so für Asylsuchende unnötige Amtsgänge zum Erhalt der Krankenscheine hinfällig werden,
  2. eine schnelle Behandlung und auch Heilung gewährleistet wird,
  3. Ehrenamtler und Paten, die sie begleiten, übersetzen usw. sich anderen Aufgaben widmen können und weil
  4. die kommunalen Behörden personell und langfristig finanziell entlastet werden.

Es rechnet sich sogar, wie die Beispiele der Stadtstaaten Bremen, Hamburg und die Stadt Rostock nach Einführung konstatieren.

Wir stellen fest, dass sich die Problematik in der Gesundheitsversorgung in Hessen verschärft. Neben dem erschwerten Zugang zur Versorgung aufgrund fehlender Krankenchipkarten, veranlasst das Land vermehrt Eilzuweisung von Asylsuchenden, ohne das die Betroffenen vorher eine Asylverfahrensanhörung bekommen hatten und ohne jegliche medizinische Untersuchung, die im Rahmen jeder Erstaufnahme gesetzlich vorgeschrieben ist. Die Tatsache, dass hierbei neu ankommende Asylsuchende keine oder eine verspätete medizinische Untersuchung erhalten, kann

  1. dramatische Folgen für betroffene Asylsuchende haben, es kann
  2. zu einer Verbreitung von Krankheiten in den Gemeinschaftsunterkünften kommen,
  3. ergibt sich hieraus eine personelle und finanzielle Überlastung der Kommunen,
  4. wird die Arbeit von Notdiensten und Arztpraxen durch mögliche zusätzliche unklare und undokumentierte Krankheitsfälle erschwert.

Somit sind wir inmitten der Begründung des Punkt 3. des Antrages. Bereits jetzt ist es für den Landkreis alltägliche Praxis, dass die nicht geleistete Arbeit in den überfüllten Erstaufnahmeeinrichtungen in den Landkreisen nachgeholt werden muss. Es ist hier unsere Pflicht eine finanzielle Überforderung der kommunalen Ebene anzuzeigen und die politisch verantwortliche Stelle, die Hessische Landesregierung, zu einer auskömmlichen und kostendeckenden Ausstattung zu ermahnen. Auch wenn eine 15% Erhöhung des Pauschalbetrages gegeben ist, sind viele Leistungen, die der Landkreis und seine Städte und Gemeinden erbringen, überhaupt nicht gegenfinanziert. In der aktuellen Landtagsdebatte haben dies auch Vertreter der Regierungsfraktionen, bspw. Mürvet Öztürk von den Grünen, eingestanden.

Dem Änderungs-Antrag der Linken, sich der Klage des Vogelsbergkreises und der Bergstraße anzuschließen, folgen wir nicht, weil

  1. der Hessische Landkreistag die Klage unterstützt und uns somit in geeigneter Weise vertritt. Die im GGSA zur Vorlage gebrachten Schreiben von Direktor Dr. Hilligardt dokumentieren das inhaltlich erschöpfend.
  2. im Falle einer Durchsetzung der Ansprüche gelten diese auch unabdingbar für unseren Landkreis,
  3. halten wir den Einsatz weiterer personeller und finanzieller Ressourcen seitens des Landkreises für nicht verantwortlich.

Abschließend beauftragen wir den KA mit der Überprüfung des derzeitigen Betreuungsschlüssels von 1 Mitarbeiter zu 170 Asylsuchenden. Mit der Verbesserung des Betreuungsschlüssels wollen wir einer Überforderung von ehren- und hauptamtlichen Kräften vorbeugen. Wir wollen eine eigene und für unsere Verhältnisse geeignete kommunale Lösung finden. Einen etwaigen Zufluss zusätzlicher Landesmittel wollen wir hierfür zukünftig eingesetzt sehen.

Abschließend möchte ich allen danken, die auf vielfältige Art und Weise die Willkommenskultur unterstützen und leben.

Ich bitte alle Fraktionen vorliegendem Antrag zu folgen, um unseren Bürgerinnen und Bürgern ein gemeinsames öffentliches Signal zu senden.