Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (BRK) im Landkreis Darmstadt-Dieburg

Antrag der Fraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen zur 7. Sitzung des
Kreistags Darmstadt-Dieburg
Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (BRK) im Landkreis Darmstadt-
Dieburg

Der Kreistag möge beschließen:
Der Kreisausschuss wird gebeten, einen Maßnahmenkatalog zur Umsetzung des am 13.
12. 2006 durch die Generalversammlung der UN verabschiedeten „Übereinkommen der
Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen“ (BRK), das mit
Gesetz vom 26. 03. 2009 in unmittelbar geltendes deutsches Recht überführt wurde (Ratifikation),
vorzulegen. Dieser soll überall da, wo der Kreisausschuss zuständig ist, dem
Grundsatz des „disability mainstreaming“ Geltung verschaffen. Ziel ist die inklusive Gesellschaft.
Dazu ist zunächst eine Ist-Analyse über die bisherigen Aktivitäten im Landkreis zu erarbeiten.
Zur Erstellung des Maßnahmenkatalogs wird der Kreisausschuss gebeten, einen Verfahrensvorschlag
zu unterbreiten. Dabei sollen Möglichkeiten geprüft werden, wie die Beteiligung
der Bevölkerung sichergestellt und vorhandene Beratungsstrukturen einbezogen
werden können.
Darüber hinaus soll geprüft werden, ob der Landkreis im Rahmen des rechtlich Möglichen
als Anlauf- und Beratungsstelle für die Maßnahmen der kreisangehörigen Kommunen fungieren
kann.

Begründung:
Die Bundesrepublik Deutschland, ursprünglich ein „Fürsorgestaat“, hat sich längst in einem
parteiübergreifenden Konsens zu einem „Sozialstaat“ entwickelt. Dessen Weiterentwicklung
hin zu einem „inklusiven Sozialstaat“ sollte ein Ziel sein, das ebenso wie
auf der Ebene des Bundes, der Länder und der Kommunen auch auf der Ebene des
Landkreises erreicht werden soll. Dabei sollte in einer – auf den Vorgaben der BRK beruhenden
–Selbstverpflichtung ein Maßnahmenkatalog als Zielvorgabe des Landkreises
vorgelegt werden, an dem sich alle weiteren Schritte zur Erreichung eines „inklusiven Sozialstaats“
bzw. einer „inklusiven Gesellschaft“ im Bereich des Landkreises orientieren.
Der Kreistag hat selbst schon einen Anfang gemacht, indem er in dem – zur Genehmigung
anstehenden – Schulentwicklungsplan die Erstellung eines Konzepts zur Schaffung eines
inklusiven Beschulungssystems beschlossen hat. Darauf sollte für alle anderen Bereiche
des Landkreises, für die dieser zuständig ist oder auf die er Einfluss hat, aufgebaut werden.
Basis könnte die Umfrageaktion des HLT von 2010 und 2011 sein, an der sich auch
unser Landkreis beteiligt hat.
Bei der Entwicklung eines Maßnahmenkatalogs muss der Grundsatz der BRK Geltung erlangen:
Nicht über uns ohne uns! Das Fachwissen der Expertinnen und Experten in eigener
Sache ist für die Aufstellung und Gestaltung des Maßnahmenkatalogs unverzichtbar.
Daher müssen auch die betroffenen Bürgerinnen und Bürger sowie Verbände und Vereine
von Anfang an einbezogen werden.
Inklusion entsprechend der BRK verändert die bisherige Perspektive im Umgang mit Menschen
mit Behinderungen. Es geht nicht mehr darum, diese in die bestehenden Strukturen
für Menschen ohne Behinderungen zu integrieren, sondern die gesellschaftlichen Strukturen
so zu gestalten, dass sie der Vielfalt der menschlichen Lebenslagen – auch die von
Menschen mit Behinderungen und Unterstützungsbedarf – gerecht wird. Dies betrifft alle
Lebensphasen: angefangen vom Besuch inklusiver Kindertagesstätten, von Schulen mit
inklusiven Bildungsangeboten, der beruflichen Teilhabe durch entsprechende Arbeitsplätze,
an denen Menschen mit und ohne Behinderung zusammen arbeiten, über das selbstbestimmte
Wohnen – auch im Alter und bei intensivem Unterstützungsbedarf – bis hin zur
Gewährleistung umfassender Barrierefreiheit im Sozialraum und bei der öffentlichen, sozialen,
gesundheitlichen und kulturellen Infrastruktur.
Barrierefreiheit in allen Lebensbereichen ist eine Grundvoraussetzung der inklusiven Gesellschaft
und ist dabei als umfassender Begriff zu verstehen. Er bezieht sich auf alle baulichen
Bereiche, auf Kommunikationen, Informationen und auf die verschiedenen Formen
der Mobilität. Des Weiteren gilt es, sprachliche und kulturelle Zugangshindernisse abzubauen,
sowie die soziale Infrastruktur und die Daseinsvorsorge entsprechend dem Bedarf
aller Menschen auszurichten. Von einer barrierefreien Gesellschaft profitieren alle – nicht
zuletzt vor dem Hintergrund einer zunehmend veränderten Altersstruktur unseres Landkreises.