Kreistag Darmstadt-Dieburg 13.12.2021
Christian Grunwald, Fraktionsvorsitzender in Doppelspitze Fraktion Bü90/Die GRÜNEN
Vorlage-Nr. 0709-2021/DaDi
7.1. Planungen zum Bau eines neuen Kreishauses beenden – Änderungsantrag
FW/UWG, Vorlage-Nr. 0841-2021/DaDi
7.2. Haushalts- und Stellenbesetzungssperre vorsehen – Änderungsantrag FW/UWG
Vorlage-Nr. 0869-2021/DaDi
7.3. Ergänzungsvorlage zum Nachtragshaushalt 2021, Vorlage-Nr. 0835-2021/DaDi
- Haushalt 2022: Kreis- und Schulumlage in der Summe nicht erhöhen – Antrag FW/
UWG, Vorlage-Nr. 0784-2021/DaDi
Redezeit: 5 Min. pro Fraktion – es gilt das gesprochene Wort.
————————————————————————————————————————Sehr geehrte Frau Vorsitzende, werte Kolleg*innen,
Sah die Haushaltssatzung 2021 bei Verabschiedung durch die Ampel im Dezember 2020 noch einen Überschuss von 800.000€ im Ergebnishaushalt vor, haben wir jetzt einen Fehlbedarf von 13,1 Millionen. Für den Finanzhaushalt hatten wir einen Zahlungsmittelbedarf von 11,3 Millionen ausgewiesen und landen nun bei 25,3 Millionen. Dieser Nachtrag erfüllt nicht die Vorgaben des Haushaltsausgleichs.
Eine unvorhergesehene Zuweisung aus dem Pakt für den Öffentlichen Gesundheitsdienst vermindert die Umlage an den Zweckverband mit ca. 1,4 Millionen und dämpft den Fehlbedarf ein wenig. Bezeichnenderweise kann somit beim Gesundheitsamt ein Teil der coronabedingten Mehraufwendungen durch nicht-coronabedingte Mehrerträge abgefangen werden.
Das täuscht über die finanzielle Dramatik, die wir vorliegen haben nicht hinweg. Dieser Nachtragshaushalt ist der zahlenmäßige Nachweis, wie die Corona-Krise in die kommunalen Haushalte durchschlägt. Der größte Brocken der finanziellen Mehraufwendungen, die den Ergebnisaufwand mit bis zu 14 Millionen zusätzlich belasten, liegen alle in den Bereichen der gesetzlichen Sozial- und Jugendhilfeleistungen, der Gesundheitsfürsorge, eben der kommunalen Daseinsvorsorge für unsere Bürger:innen:
– Die Eingliederungshilfe nach dem Sozialgesetzbuch IX hat einen erhöhten Zuschussbedarf von 2,4 Millionen,
– Die Jugendhilfe weist einen weiteren Zuschussbedarf um die rund 6 Millionen aus wegen steigender Fallzahlen,
– Schließlich die Kreiskliniken: Sie bedürfen für ihren Verlustausgleich weitere 6,1 Millionen. 12 Millionen Verluste waren geplant. Sie landen jetzt bei insg. 18 Millionen €.
Dieser coronabedingte Nachtragshaushalt stellt uns vor eine besondere Herausforderung.
Wir GRÜNEN haben den Haushalt 2021 noch in der Ampel-Koalition verantwortet. Aber gerade wegen der hohen Verantwortung, die jetzt mit dem Voranschreiten der Corona-Krise einhergeht, stimmen wir GRÜNEN auch diesem Nachtrag zu. Das ist auch das Signal, was wir von diesem Kreistag aussenden wollen: Verantwortung in der Krise.
Und ja, in diesem Nachtragshaushalt, das wollen wir bei aller Pandemiebedingtheit nicht kaschieren, kommen die strukturellen Probleme des Kreishaushaltes zudem zum Tragen. Das RP schreibt in seinen Feststellungen im Zuge der HH-Genehmigung 2021: „Die Haushalts- und Finanzlage des Landkreises konnte nicht nachhaltig stabilisiert werden. Die dauernde Leistungsfähigkeit des Landkreises ist gefährdet.“
Wir alle stehen jetzt vor der großen Aufgabe auch 2022 einen Haushalt aufzustellen, der
1.) alle Bereiche der Daseinsfürsorge zufriedenstellend für unsere Bevölkerung abdeckt,
2.) zeitgleich die Haushaltslage mit langfristigen Maßnahmen stabilisiert und
3.) dennoch zukunftsweisend ist, und Investitionen in Bildung und Klimaschutz sichert und ausbaut. Hierfür werden wir GRÜNEN uns auch weiterhin einsetzen.
Nicht akzeptieren können wir das Aus für den kreisweiten DaDi-Liner über diesen Nachtragshaushalt. Wir sparen jetzt 500.000 € ein. Für die Mobilitätssicherung und Verkehrswende im ländlichen Raum geben wir ein neues und nachhaltiges Schlüsselinstrument aus der Hand. Unsere Nachbargebietskörperschaften starten durch, in Offenbach Land, Darmstadt und Frankfurt. Komplementärmittel von Bund und Land lassen wir jetzt annähernd ungenutzt verstreichen. Die gesamte Vorarbeit der DaDiNa schreiben wir weitgehend ungenutzt ab. Zeitgleich zieht man sich aber den Schuh an, den Ausbau der Bundesstraßen B45 und B38 als neue zusätzliche Aufgabe für den Landkreis zu übernehmen. So geht keine Mobilitätswende im ländlichen Raum. An dieser Stelle zeigt sich deutlich die politische Handschrift und Priorisierung der großen Koalition.
Zu den Anträgen der FW/UWG:
Dem Antrag auf einen Stopp aller Planungen zu einem neuen Kreishaus stimmen wir zu. Angesichts der finanziellen Situation, den gegebenen Entwicklungen in der Arbeitswelt, wie ein Mehr an Homeoffice, aber auch mit der Einführung der strategischen Sozialplanung zu einem Mehr an dezentralisierter Leistungserbringung vor Ort ist dies nur zielführend.
Den Antrag zur Stellenbesetzungs- und Haushaltssperre lehnen wir ab. Dieses Instrument ist vollkommen kontraproduktiv. Nehmen wir die Personalsituation im Jugendamt: Die Nicht-Nachbesetzung würde zu weiteren Leistungseinschränkungen bei Hilfesuchenden führen und die Mitarbeiter:innen, die bereits Überlastungsanzeigen stellen noch weiter belasten. Gleiches gilt für die Rasenmähermethode 20% Haushaltssperre: Politisch können wir überhaupt nicht einschätzen, was wir mit solch einer Maßnahme inhaltlich auslösen und welchen zentralistischen Verwaltungsaufwand sie bedeutet. Zumal wir ab dem 1.1.2022 sowieso nur noch den laufenden Betrieb haben, da wir keinen genehmigten Haushalt 2022 haben.
Der TOP 18, die Kreis- und Schulumlage nicht zu erhöhen, ist aus unserer Sicht zum jetzigen Zeitpunkt fehl am Platze. Dieser Antrag muss auf die Haushaltsberatungen 2022 verschoben werden. Erst wenn wir Grundlagen haben, wie insgesamt die Parameter, insbesondere im Bereich Schulbau und Gesundheitspolitik aussehen, können wir über die Kreis- und Schulumlage ernsthaft beraten. Angesichts der seit Jahren bestehenden Unterfinanzierung im Schulbau und den zusätzlich notwendigen Investitionen aufgrund der steigenden Zahlen an Schülerinnen und Schülern erscheint uns die Sinnhaftigkeit mehr als fraglich. Sollte der Antrag jetzt zur Abstimmung kommen, werden wir ihn deshalb ablehnen.