Maßnahmenkatalog zu den Handlungsempfehlungen „Wege aus der Armut“

Darmstadt, 25. Mai 2012
Antrag der Fraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen zur 8. Sitzung des
Kreistags Darmstadt-Dieburg

Sehr geehrte Frau Vorsitzende,
die Fraktionen von SPD und Grünen bitten Sie, den nachstehenden Antrag auf die Tagesordnung der nächsten Kreistagssitzung am 25. Juni 2012 zu nehmen.
Der Kreistag möge beschließen:

  1. Der Kreistag Darmstadt-Dieburg nimmt die Handlungsempfehlungen „Wege aus der Armut“ als Ergebnisse der Beteiligungskonferenzen zum Bericht zur Sozialen Lage als zukunftsweisende Grundlage um konkrete Schritte zur Armutsbekämpfung und für eine gerechte Teilhabe- und Verwirklichungschance aller BürgerInnen im Landkreis Darmstadt-Dieburg zu initiieren.
  2. Folgende Handlungsmaximen und konzeptionelle Grundsätze sind in der Planung konkreter Schritte maßgeblich:
    • Prävention so früh wie möglich
    • „ambulant vor stationär“
    • Regionalisierung der Angebote (Dezentralisierung)
    • lokale Netzwerkarbeit
    • Sozialraumorientierung (Gemeinwesensorientierung)
    • Information ist Prävention
    • Beratungs-, Koordinierungs- und Steuerungsfunktion des Landkreises
    • Entwicklung lokaler, alterspezifischer Präventions- und Interventionsketten
    • Beteiligung / Partizipation
  3. Der Kreisausschuss wird gebeten, einen Maßnahmenkatalog im Rahmen seiner Zuständigkeiten zu den unten aufgeführten Zielen zu erarbeiten. Dabei soll über die bestehenden Maßnahmen informiert und an sie angeknüpft, sowie die möglichen finanziellen Auswirkungen bzw. die Umsetzbarkeit weiterer Maßnahmen bewertet werden. Der Maßnahmenkatalog des Kreisausschusses soll vor der Beschlussfassung im Kreistag mit den zuständigen Fachgremien beraten werden.
    • Entwicklung einer modellhaften kreisweiten Präventions- und Interventionskette, die an den Altersphasen der Kinder und Jugendlichen ausgerichtet ist und in einfacher Form die bestehenden Angebote und Maßnahmen des Landkreises Darmstadt-Dieburg den BürgerInnen und Fachkräften kommuniziert (Bsp. Mohnheim).
    • Der Übergang von Schule in Ausbildung bzw. Beruf soll besser zwischen den beteiligten Institutionen abgestimmt werden. Die Erfordernisse von Jugendlichen aus benachteiligten Milieus sollen dabei stärker berücksichtigt werden.
    • Bei der Vermittlung von Langzeitarbeitslosen soll die Situation von Alleinerziehenden
      mehr in den Fokus gerückt werden. Auch die Situation von Frauen und Männern mit Migrationshintergrund und mit Behinderungen sollen besonders betrachtet werden. Die Arbeitgeber sollen stärker für die Situation von Langzeitarbeitslosen sensibilisiert werden.
    • Beim Ausbau eines bedarfsgerechten und flexiblen Systems der Kinderbetreuung sollen die Bedürfnisse Alleinerziehender besonders berücksichtigt werden.
    • Die Erfordernisse von Menschen mit zu pflegenden Angehörigen an den Arbeitsmarkt sollen stärker berücksichtigt und kommuniziert werden.
    • Es soll gewährleistet werden, dass alle Kinder an allen schulischen und bildungsbegleitenden Aktivitäten teilnehmen können.
    • Die Familien im Landkreis werden frühzeitig, direkt und wohnortnah über Fördermöglichkeiten und Hilfestellungen informiert. Die Förderung sollte stärker sozialräumlich ausgerichtet werden. Die Familien sollen schon vor der Geburt ihres Kindes über Beratungsstellen und Hilfeeinrichtungen informiert werden.
    • Kinder aus benachteiligten Milieus und Kinder mit Behinderungen sollen in den Kindertageseinrichtungen stärker gefördert werden.
    • Einkommensschwache Familien sollen mit Ermäßigungen und Sozialtarifen entlastet werden.
    • Die Schulen sollen schrittweise in Ganztagsschulen umgewandelt werden, um allen Kindern eine geeignete Förderung anzubieten.
    • Die Schulsozialarbeit wird als unterstützendes System ausgebaut.
    • Die Zusammenarbeit von Trägern außerschulischer Bildungseinrichtungen und den Trägern schulischer Bildung soll besser verzahnt werden. Die Informationen über die Angebote der Bildungsträger sollen stärker lokal erfolgen.
    • Die Zusammenarbeit der Schulen und Kindertagesstätten im Bereich der Gesundheitsförderung soll ausgebaut werden. Dabei soll ein niedrigschwelliges Angebot zu Leistungen und Präventionsangeboten
      gemacht werden.
  4. Zur Erstellung des Maßnahmenkatalogs wird unter Beteiligung der Städte und Gemeinden eine verwaltungsinterne Steuerungsgruppe eingerichtet. Mit Hilfe eines indikatorengestützten Sozialmonitoring soll auf Ebene des Kreises für die Gemeindeebene ein sozialräumliches Frühwarnsystem entwickelt werden, das die Wirkung der Maßnahmen untersucht und auswertet.
  5. Der Kreistag fordert die Bundesregierung auf:
    • einen gesetzlichen Mindestlohn einzuführen.
    • das Antrags- und Bewilligungsverfahren des Bildungs- und Teilhabepakets zu vereinfachen und auf weitere Leistungen auszudehnen.
    • die Eingliederungsinstrumente gemäß SGB II und III wieder höher zu dotieren, um so die schrittweise Heranführung Langzeitarbeitsloser an den Arbeitsmarkt zu ermöglichen.
  6. Der Kreistag fordert die Hessische Landesregierung auf:
    • Im Bereich der Sekundarstufe I ein vernetztes Fördersystem für Kinder aus benachteiligten Milieus aufzubauen.
    • Die gemeindenahe Versorgung mit Fachkräfte für psychisch Kranke Menschen, besonders Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene auszubauen.
    • Den Ausbau von Ganztagsschulen stärker voranzutreiben.
    • Die Schulsozialarbeit als Aufgabe des Landes anzuerkennen und sowohl für Sekundarstufe I als auch für die Grundschule einzurichten und zu finanzieren.
  7. Der Kreistag bittet den Kreisausschuss bei den kreisangehörigen Kommunen für folgende Maßnahmen zu werben:
    • Umbau der Kindertagesstätten in Familienzentren
    • Schaffung eines „Welcome Pakets“ für Eltern neugeborener Kinder
    • Stärkere lokale Vernetzung bei den frühen Hilfen
    • Aufbau eines Netzwerks zum Thema Kinderarmut

Begründung:
Mit den in der Kreistagssitzung am 14. Mai 2012 vorgelegten Handlungsempfehlungen zum „Bericht zur Sozialen Lage im Landkreis Darmstadt-Dieburg“ (Vorlage: 0743-2012/DaDi) wurde der Kreistag umfassend über die Ergebnisse der Workshops zum Bericht zur Sozialen Lage informiert.
Mit dem vorgelegten Antrag sollen nun die Ziele formuliert werden, welche dem Kreisausschuss bei der Bearbeitung des Themas Armut als Richtschnur dienen sollen. Anhand dieser Zielsetzung soll der Kreisausschuss nun Vorschläge erarbeiten, wie diese Ziele umgesetzt werden können. Außerdem sollen die Vorschläge aus den Beteiligungsrunden, welche andere politische Ebenen betreffen, an die entsprechenden Akteure weitergegeben werden.
Mit der Umsetzung der formulierten Ziele setzt der Landkreis die präventive Sozialpolitik als einer seiner politischen Schwerpunkte fort. Mit dem Ausbau der Beratungsangebote, dem Konzept der Frühen Hilfen oder aktuell der Schaffung von Familienhebammen und dem Ausbau von Familienzentren hat der Landkreis schon wichtige Projekte für die Armutsbekämpfung in Angriff genommen, die nun ausgebaut und ergänzt
werden sollen.
Die Diskussion über den Bericht zur sozialen Lage verdeutlicht auch, dass sich der Landkreis der Problematik dieses Themas bewusst ist und sich diesem kommunalpolitisch annimmt. An dieser Stelle sprechen wir allen Diskussionsteilnehmern unseren Dank für ihre Mitarbeit aus, besonders Prof. Dr. Hanesch für seine wissenschaftlich Unterstützung und der Ersten Kreisbeigeordneten Rosemarie Lück und allen beteiligten MitarbeiterInnen für die Koordinierungen des Prozesses.