TOP 10
– Brigitte Harth –
In den Haushaltsdebatten der letzten Zeit gibt es einige immer wiederkehrende Themen:
- die strukturelle Unterfinanzierung von Kommunen und Kreisen
- der ausreichende Sparwillen der Kreisspitze?
- der Kampf der Parlamentarier mit dem doppischen Haushalt.
Sie bleiben Ihnen auch diesmal nicht erspart. Meine Anmerkungen dazu.
1. Zum ersten Punkt, der strukturellen Unterfinanzierung: Kreis und Kommunen sind strukturell unterfinanziert – das beklagen wir alle seit Jahren, und dazu will ich auch nicht mehr als zwei Sätze hinzufügen, weil das Thema durch Wiederholung nicht spannender wird und leider auch nicht lösbarer. Meine zwei Sätze will ich allerdings auf eine Spezialität der letzten Jahre richten, nämlich die landes- und bundespolitischen Eingriffe wie Konjunkturprogramme und Rettungsschirme. Wer wenig Geld hat und viele Schulden, sollte doch den Rat beherzigen: erst nachdenken, dann Geld verteilen. Die SIP- und KIP-Programme waren schon ärgerliche Schnellschüsse der Landes- und Bundesregierung – der hessische Rettungsschirm hat noch mal eins obendrauf gesetzt: Hier werden Steuergelder nach fragwürdigen Kriterien umverteilt, und wer in den letzten Jahren zu ernsthaft gespart hat, geht leer aus: Das ist in Südhessen nur der Kreis Da-Di, und zwar inklusive aller Kreiskommunen. Das ist richtig bitter. Das Beste an dieser undurchdachten Aktion ist noch, dass die hessische Landesregierung damit die strukturellen Finanzprobleme der Kommunen anerkennt, das Schlechteste ist die Art der Durchführung.
2. Trotz dieser strukturellen Unterfinanzierung versuchen wir seit einigen Jahren mit großem finanziellen und großem Arbeitsaufwand, unsere Schulen auf Vordermann zu bringen – auch in diesen Haushaltsjahren wieder ein ganz fetter Brocken. Zur Sanierung der Schulen brauchen wir Kredite, die uns der RP vielleicht nur teilweise genehmigen wird. Und hier könnte sich die Ungleichbehandlung hessischer Kreise und Kommunen fortsetzen: Nicht verschuldet genug, um vom Rettungsschirm zu profitieren, aber gleichzeitig daran gehindert, aus eigener Kraft die Schulen zukunftsfähig zu machen. Frei nach dem Motto: Zu seriös gewirtschaftet, deshalb jetzt auf Seiten der Verlierer?? Das kann und will ich einfach nicht glauben. Es geht hier auch nicht einfach um einen Streit mit einer Aufsichtsbehörde, es geht tatsächlich darum, ob es uns in einem überschaubaren Zeitraum gelingt, unsere Schulen zu Orten des Lernens und Lebens zu machen. Es geht hier auch nicht einfach um die Erlaubnis, den Schuldenberg etwas höher zu machen – denn wir schaffen gleichzeitig Werte und wir sorgen im selben Handstreich für die energetische Sanierung.
3. Dies sieht bei der Neuschaffung von Personalstellen grundsätzlich anders aus. Die Ausweitung des Stellenplans ist nicht nur im HFA von der Opposition hinterfragt worden, auch innerhalb der grünen Fraktion ist das heftig diskutiert worden. Allerdings ist bei den 42,5 neu ausgewiesenen Stellen ein differenzierter Blick notwendig:
- Eher unproblematisch sind hier die Stellen, die zu 100 % gegenfinanziert sind. Ich sage hier „eher“, weil natürlich trotzdem zu hinterfragen ist, ob die Stellen auf Dauer gegenfinanziert sind – sonst wird nämlich eine Befristung notwendig.
- Dann gibt es etliche Stellen, die durch neue Aufgaben aufgrund von Gesetzesänderungen entstehen, eigentlich also von Bund oder Land gegenfinanziert sein sollten, aber es nicht sind – dazu gleich noch ein Wort.
- Und dann bleibt der Rest, die sog. „sonstigen“ Stellen. Bei diesen Stellen halten wir es allerdings auch für erforderlich, sehr genau und im Einzelfall die unbedingte Notwendigkeit zu bewerten – und dabei gleichzeitig die Ergebnisse des KGSt-Prozesses zu antizipieren. Wir sind dem Landrat dankbar, dass er dies im HFA praktisch zugesagt hat.
Für die Verwaltung selbst ist es natürlich unangenehm, wenn die Stellenausweitungen nicht passieren sollten – das hat der Auftritt von Herrn Gärtner im HFA ja gezeigt. Ich sage allerdings noch mal die eigenen Reihen hinein: Es gehört zu den unangenehmen Aufgaben der Regierung und der dazugehörigen Koalitionsfraktionen dazu, sich bei der Verwaltung auch mal unbeliebt zu machen.
4. Ein Teil der Stellenausweitungen entsteht durch zusätzliche Aufgaben durch Bundes- oder Landesgesetze oder –verordnungen. Die Konnexitätsfrage werden wir noch unter einem gesonderten TOP diskutieren; die Anträge dazu sind aber mit Sicherheit auch aus der Haushaltsdebatte heraus entstanden. Es ist hochgradig ärgerlich, wenn Aufgaben-Neustellungen von Bund oder Land beschlossen werden, ohne dass ein realistischer Ausgleich gezahlt wird. Wir sollten aber nicht nur bei diesem Ärger stehen bleiben, das ist in meinen Augen zu wenig: Wir sollten wirklich dazu übergehen, die dadurch entstehenden Kosten aufzuschlüsseln und konkret zu benennen. Wir sollten quasi dem Verursacher die entstandenen Kosten in Rechnung stellen – selbst wenn er die Begleichung der Rechnung schuldig bleibt. Ich glaube, erst wenn wir auf Heller und Pfennig ausrechnen, welche Leistungen gefordert, aber nicht bezahlt werden, wird die Debatte etwas weniger hilflos und stattdessen belegbarer und konkreter. Die FDP-Anfrage zum Haushalt ging ja genau in diese Richtung.
Ich fände dies sogar an Punkten hilfreich, die noch nicht mal den strengen Kriterien der Konnexität genügen, wo wir aber trotzdem originäre Landesaufgaben übernehmen. Beispiel Betreuende Grundschulen: Kreis und Kommunen stellen Betreuung auch innerhalb der Zeiten, die eigentlich unter „Verlässliche Grundschule“ fallen, weil denn die Grundschule doch nicht so verlässlich ist, wie die Landesregierung sie anpreist.
5. Nach wie vor entsteht das Defizit im Kreishaushalt wesentlich durch wachsende Belastungen im Sozialbereich und in der Kinder- und Jugendhilfe. Für uns ist von außen hier nicht feststellbar, ob und wo überhaupt Einsparmöglichkeiten liegen könnten. Es handelt sich praktisch immer um Pflichtleistungen, die also nicht nach Gutdünken weggelassen werden können. Unklar ist allerdings die Evaluation der Pflichtleistungen: Welche Leistungen also greifen und welche greifen weniger gut? Welche Leistungen sind zu welchem Preis in guter Qualität zu haben? Transparenz für die KT-Abgeordneten in diesen Fragen ist im Moment praktisch nicht herzustellen – hier fehlen noch wichtige Hilfsmittel, die z. B. Vergleiche mit anderen Landkreisen sinnvoll machen. Rosemarie Lück hat bereits angekündigt, dass sie dabei ist, brauchbare Kennziffern und Benchmarks zu entwickeln. Wir sind gespannt – dies dürfte uns einen großen Schritt voran bringen.
6. Zum Schluss einige Anmerkungen zum ganzen Bereich Transparenz und parlamentarische Kontrolle, und damit natürlich auch zum Doppelhaushalt. Auf der einen Seite erfüllen Sie Ihre traditionelle Aufgabe als Oppositionsfraktionen, wenn Sie keinen Doppelhaushalt möchten. Denn das Haushaltsrecht beinhaltet immer auch ein Recht auf eine jährliche Generalabrechnung inklusive dem Aufzeigen alternativer Lösungen und Wege. Einfacher ist das in den letzten Jahren mit der Einführung der Doppik ohnehin nicht geworden, denn der doppische Wirtschaftsplan ist per se nicht dazu gemacht, Einzelvorgaben zu machen; es geht ohnehin nur noch um die „großen Linien“, um die Produktorientierung – jedenfalls in der Vorstellung des hessischen Gesetzgebers. Auf der anderen Seite hat uns die Einführung des kaufmännischen Rechnungswesens eigentlich Instrumente mitgeliefert, die die parlamentarische Kontrolle stützen können, wenn sie denn genutzt werden, z. B. die Quartalsberichte. Wenn wir als Kreistagsabgeordnete also die vorhandenen Instrumente lesbarer und „politischer“ machen, kann es auch in Zeiten eines Doppelhaushalts trotzdem ein Mehr an Transparenz und Kontrolle geben. Theoretisch könnten wir also alle 3 Monate bei der Vorlage der Quartalsberichte eine „kleine Haushaltsdebatte“ führen. Deshalb werden SPD und Grüne zur nächsten Kreistagssitzung einen Antrag zur Verbesserung des Berichtswesens vorlegen.
7. Ich will Ihnen noch ein Argument nennen, das es zumindest uns Grünen erleichtert hat, uns mit einem Doppelhaushalt einverstanden zu erklären: Wir haben für diesen Haushaltsentwurf so detaillierte Angaben und Erläuterungen bekommen, wie wir uns das schon lange gewünscht haben. Politik nervt ja die Verwaltung oft über alle Maßen – anstatt zu arbeiten, muss man sich mit lauter Nicht-Fachleuten auseinandersetzen, die blöde Fragen stellen und („noch schlimmer“) auch noch über eine gewisse Entscheidungsgewalt verfügen. Auf der anderen Seite haben wir als ehrenamtliche Kreistagsabgeordnete nur eine Chance, diesen komplexen Kreishaushalt einigermaßen zu verstehen, wenn auf Seiten der Verwaltung eine hohe Service-Bereitschaft gegeben ist. Hier hat sich viel getan – dafür ganz herzlichen Dank! Bei uns hat ist dies durchaus als vertrauensbildende Maßnahme angekommen, die uns die Zustimmung zum Doppelhaushalt erleichtert hat.
Unser ehemaliger Bundespräsident Theodor Heuss hat gesagt, Sparen sei „die richtige Mitte zwischen Geiz und Verschwendung“. Diesen Mittelweg versucht der vorgelegte Wirtschaftsplan 2012/2013 zu gehen. Er findet damit unsere Zustimmung.