Keine Abschiebungen nach Afghanistan

„ Keine Abschiebungen nach Afghanistan“
Änderungsantrag der Koalition eingebracht im Ausschuss GGSA am 6.3.2017

Sehr geehrte Frau Vorsitzende, sehr geehrte Damen und Herren,

Wir begrüßen ausdrücklich, dass die Linke dieses Thema eingebracht hat und nach ausführlichen Diskussionen dieser Antrag zustande kam. Der Inhalt des Antrags ist hoch politisch und sehr emotional, da es immer um Menschen und ihre Schicksale geht, auch hier im Landkreis. Ausgangspunkt ist das Asylrecht für politisch Verfolgte in Deutschland. Dies ist ein Grundrecht und im Grundgesetz verankert.
Um die Brisanz des Resolutionsantrags „Keine Abschiebungen nach Afghanistan“ zu verstehen, muss man die Hintergründe und den zeitlichen Ablauf kennen.
Die Bundesregierung (die Große Koalition aus CDU und SPD) erklärt Afghanistan zu einem „sicheren Herkunftsland“. Obwohl nach 16 Jahren Bundeswehr-Einsatz und dem Teilabzug der Truppe, die alten Taliban-Strukturen wieder erstarkt und die lokalen Warlords aktiv sind.
Am 2. Oktober 2016 hat Deutschland mit Afghanistan eine Rücknahmevereinbarung geschlossen. Das Bundesinnenministerium (BMI) verlangt von den Bundesländern, dass sie abgelehnte Asylbewerber dorthin zurückschicken. Die deutsch-afghanische Rücknahmevereinbarung korrespondiert mit einer Initiative der EU: Der „Joint Way Forward on migration issues between Afghanistan and the EU“. Diese soll ebenfalls seit Anfang Oktober 2016 den EU-Staaten die leichtere Abschiebung von afghanischen Flüchtlingen in ihre Heimat garantieren. Am 18.2.2017 legte die EU mit einem Kooperationsabkommen nach, und bezahlt für die afghanische Bereitschaft zur Rücknahme von Geflüchteten jährlich 1,2 Mrd. €
Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. 1,2 Milliarden € jährlich. Da stellt sich doch wohl die Frage, ob es hier um das Wohl der Menschen geht oder wie so oft nur um GELD und politische Einflussnahme.
Am 22. Dezember 2016 wird der Bericht des Flüchtlingshochkommissariats der Vereinten Nationen zur Situation in Afghanistan sowie im Februar 2017 der Jahresbericht 2016 veröffentlicht. Die Vereinten Nationen zeichnen in beiden Berichten ein desaströses Bild der humanitären Situation in Afghanistan. Die Sicherheitslage am Hindukusch habe sich nochmals dramatisch verschlechtert. Insbesondere eine pauschale Einschätzung bestimmter Regionen Afghanistans als „sichere und zumutbare interne Schutzalternative“ sei „nicht möglich“. Insgesamt sind laut UN-Berichten im vergangenen Jahr 11.418 Unbeteiligte getötet oder verletzt worden – drei Prozent mehr als 2015. Die Zahl der Verletzten sei um sechs Prozent auf 7.920 Menschen gestiegen. 3.498 seien getötet worden, jede*r dritte Tote sei ein Kind. Ich lese es gerne nochmal vor:
3.498 Tote, davon jedes dritte ein Kind!
Trotzdem fordert der Bundesinnenminister mit Schreiben am 9.1.2 und 6.2.17 an die Innenministerien der Bundesländer, unbeeindruckt der Lage in Afghanistan die Abschiebungen durchzuführen.
Am 25.2.2017 fordern die GRÜNEN die Bundesregierung auf, aus den genannten Gründen die Lage am Hindukusch neu zu bewerten. Außenminister Gabriel (SPD) lehnt dies lapidar ab, es gäbe sowohl sichere und wie auch sehr unsichere Regionen.
Wir GRÜNE halten diese Abschiebepraxis für menschenunwürdig. Sammelabschiebungen in Charterflugzeugen sind eine politische Inszenierung um Stimmen von „Rechtsaußen“ zu sammeln und zurückzubekommen. Sie bekämpfen keine Fluchtursachen und gefährden Menschenleben.
Weitere Verschärfungen des Asylrechts, Abschiebungen in Krisengebieten und Einteilung in sicherheitspolitische gute und schlechte Flüchtlinge helfen den Menschen nicht, weder hier noch in den Herkunftsländern.
Deshalb müssen wir Verantwortung übernehmen und fliehenden Menschen Lebensperspektiven eröffnen. Bei 60 Millionen Menschen die flüchten, bleiben die allermeisten Menschen in der Region, die wenigsten kommen nach Europa.
Sprache ist der Schlüssel zur Integration. Mit dem 2. Aktionsplan Flüchtlinge stellt die Hessische Landesregierung 3, 8 Mill. € bereit und öffnet die Förderung für Flüchtlinge aus Afghanistan und Ländern mit ähnlich hoher Schutzquote, unabhängig von der Aussicht auf Anerkennung des Asylverfahrens.
Da sich diese Resolution an die hessische Landesregierung richtet, werden Sie sich fragen, warum die GRÜNEN ihrer Forderung nach Abschiebestopp nicht dort durchgesetzt haben. Es gehört zu der Wahrheit, dass der kleinere Koalitionspartner nicht immer alle Forderungen durchsetzen kann. Das ist der Teil der Demokratie, der bitter ist und trotzdem müssen wir ihn aushalten.
Wir bitten Sie daher um Zustimmung zu diesem Antrag und eine klare Haltung zu zeigen.

Politikinfosystem ladadi