Haushaltssatzung und Haushaltsplan 2022/2023: Redebeitrag Christian Grunwald

Redebeitrag zur Kreistagssitzung am 20.06.2022
(Es gilt das gesprochene Wort.)

Von Christian Grunwald, Fraktionsvorsitzender BÜNDNIS 90/Die GRÜNEN

Sehr geehrte Frau Vorsitzende, werte Kolleg:innen,

Frage: Haben Große Koalition (GroKo) und hauptamtlicher Kreisausschuss (KA) überhaupt einen Plan?

Nein! Viel zu viel Zeit hat diese Koalition verloren, um ihren Haushalt zu bestellen.

Bereits im September 2021 haben wir im Haupt- und Finanzausschuss (HFA) nach dem TOP Haushaltskonsolidierung gefragt. Niemand wollte damit etwas anfangen. Ratlosigkeit beim ehemaligen Vorsitzenden.

Schon zuvor hat das RP den Landkreis finanzpolitisch angezählt. Die Genehmigungsverfügungen der Haushalte 2021 und die aktuelle Genehmigungsverfügung des Nachtragshaushaltes 21 hatten eine eindeutige Sprache: die Leistungsfähigkeit des Landkreises ist dauerhaft erheblich eingeschränkt. Kredite nur mit Einzelgenehmigung, Vorlage eines wirksamen Haushaltssicherungskonzeptes (HSK) und eine bedarfsorientierte Festsetzung der Kreisumlage sind unvermeidlich.

Anstatt frühzeitig in den HSK-Prozess nach innen und außen transparent einzusteigen wurde mitgeteilt, dass wegen der neuen politischen Mehrheiten sich die Haushaltsaufstellung verschiebt.

Angesichts des Voranschreitens der Zeit erklärt man im Februar, dass es nur noch einen Doppelhaushalt geben könne, um handlungsfähig zu werden. Dass das Instrument eines Doppelhaushaltes für ein aktives und flexibles Steuern des Haushaltes nicht geeignet ist, wird nicht zuletzt durch die Ukraine-Krise und ihre finanziellen Folgen deutlich. Nur scheinbar gibt das Zahlenwerk Planungssicherheit vor. Die kurzfristige Ergänzungsvorlage ist im Prinzip der erste Nachtragshaushalt. Somit Nachweis, dass der Doppelhaushalt schon wieder komplett überholt ist. Und die intensive Auseinandersetzung in der neuen Koalition mit dem Haushalt, die als eine Entschuldigung für die späte Einbringung herhalten musste, hat vorher gar nicht stattgefunden.

Erst im April legt man also einen Entwurf vor. Der war offensichtlich trotz HSK nicht genehmigungsfähig. Wenige Tage vor der entscheidenden Haushaltssitzung kommt überfallartig die Ergänzungsvorlage auf die TO mit einer weiteren Ergebnisverbesserung um 15 Mio. in 2022 und 8 Mio für 2023. Für eine echte qualitative Beratung dieses weiteren Maßnahmenbündels bleibt keine Zeit. Unter dem Druck des RP, die Kreisumlage im Sinne der Fehlbedarfsdeckung um weitere 1,5 Prozent in 2023 zu erhöhen, begibt man sich jetzt erst in die Verhandlung mit den Bürgermeister:innen. Alle 23 reagieren mit einer  Stellungnahme, die einem Brandbrief gleicht. Die Verhandlung in der „kommunalen Familie“ gipfelt schließlich im Antrag der Groko am letzten Freitag vor dem Wochenende. Vor drei Tagen!

Die Aufgabenverschiebung der Kindertagespflege auf die Kommunen ist ein vergiftetes Angebot an die Bürgermeister:innen: Eine reine Verschiebebahnhofpolitik der Kosten auf die Kommunen, bei zeitgleicher Gefährdung des Rechtsanspruches auf einen U3 Betreuungsplatz. Wir können uns nicht vorstellen, dass das finanzpolitisch und betreuungsorganisatorisch umsetzbar ist. In kaum einem anderen Bereich, wie eben dem der Kindertagespflege, ist die Sicherstellung des Rechtsanspruches auf Kinderbetreuung so wirtschaftlich, effektiv und zentral über den Landkreis zu organisieren.

Dieser Antrag ist verantwortungslos, er schlägt dem Fass den Boden aus, wenn man sieht, wie hoch der Mangel an U3 Plätzen landkreisweit ist. Die Kindertagespflege schließt hier Lücken. Und der Jugendhilfeträger ist und bleibt der Landkreis und in Verantwortung. So sieht verlässliche Politik nicht aus: Er gefährdet Betreuungsplätze, er verunsichert Eltern, er gefährdet die Existenz der Kindertagespflegepersonen, er torpediert Qualitätsstandards. Wie stellen Sie sich die timeline dieses Prozesses vor? Wo ist Ihr Konzept?

Sie machen die Kindertagespflege zum Spielball des finanzpolitischen Geschachers in der kommunalen Familie. Deswegen unterstützen wir auch die namentliche Abstimmung zum Gesamthaushalt. Die Bürgermeister:innen in den Reihen der Kreistagsfraktionen der GroKo müssen hierfür politisch zeichnen.

Und da der Jugendhilfeausschuss zu dieser Grundsatzentscheidung nicht beraten hat, gesetzlich hierzu aber gehört werden muss, wird Ihre Entscheidung schwebend und nicht wirksam sein.

Gerade Ihr letzter Antrag zeigt: Sie verhandeln nicht kompetent und nicht transparent. Sie  reagieren nur. Sie kommen nicht in die Vorhand. Sie fahren auf Sicht. 

Diese Kurzfristigkeit Ihres Handelns ist Sinnbild für die Planlosigkeit, angeführt vom Landrat als Verantwortlicher für die Finanzen.

Für einen Plan benötigt es Ziele. Ohne Ziele und Kennzahlen im Haushalt keine finanzpolitische Steuerung, keine Grundlage zur Beurteilung der wirtschaftlichen Lage. Eine nachhaltige Konsolidierung, die beständig fortzuführen ist, ist somit nicht darstellbar.

Deswegen beantragen wir GRÜNEN in unserem Antrag „Perspektiven für den Landkreis erarbeiten: Haushalt steuern – Finanzen sichern, Zukunft sozial und ökologische gestalten“, dass der Kreisausschuss seine Hausaufgaben macht und endlich umfassend in allen Teilhaushalten Leistungsziele und Kennzahlen zur Messung der Zielerreichung angibt. So kann im Zusammenspiel zwischen KA, VW und Politik transparent gesteuert werden. Die Innenrevision hat dies dem Landkreis auch bereits ins Stammbuch geschrieben. Im HFA hat hierzu niemand aus dem KA Stellung bezogen. Auch wenn der Antrag abgelehnt wird. Sie werden hierzu gesetzlich angehalten werden. Lesen sie die ausführliche Zitierung in der Begründung!

Um dem Nachdruck zu verleihen, beantragen wir zu unserem Antrag 1478 eine getrennte Abstimmung der einzelnen Unterpunkte.

Genauso wenig, wie zu dem ersten Punkt, wurde zum zweiten Punkt unseres Antrages Stellung bezogen. Es geht darum die „Berater der öffentlichen Hand“ (PD) in die am stärksten defizitären Produktbereiche Soziales, Jugendhilfe und Gesundheit zur Unternehmensberatung heranzuziehen. Gemeinsam haben wir vor kurzem beschlossen uns bei diesen einzukaufen und Gesellschafter zu werden. Warum nutzt der KA diese Ressource nicht offensiv? Als Externe können diese kurz-, mittel- und langfristige Maßnahmen zur Konsolidierung identifizieren. Dieser GroKo fehlt es nicht nur an einem Plan, sondern auch an Fantasie, geordnete und strategische Maßnahmen einzuleiten. Immerhin: Erster Kreisbeigeordneter Lutz Köhler hat für den Bereich des DaDi-Werkes den Einsatz der Berater der öffentlichen Hand angekündigt.

Im Zusammenhang mit diesem Antragsbegehren zum Einsatz der Berater der öffentlichen Hand, lehnen wir den Antrag von FW/UWG zu einem Strategischen Projektmanagement und Controlling ab. Es gibt bereits eine Konzernsteuerung und eine gut arbeitende Controllingeinheit. Unser Ansatz ist  weitergehender. Ebenso werden wir den Antrag zur Einführung einer qualifizierten Stellenbesetzungssperre ablehnen, da diese bereits praktiziert wird.

Angesichts des Kommunikationsdesasters um den gesamten Haushaltskonsolidierungsprozess stimmen wir dem Antrag von FW/UWG zu, eine nicht öffentlich tagende Haushaltskonsolidierungsgruppe einzurichten.

Die Ergänzungsvorlage, der Antrag zur Aufgabenverschiebung der Kindertagespflege, die Vorlagen zur hauswirtschaftlichen Sperre und zu den Wirtschaftsplänen aller Eigengesellschaften, sie alle erfolgten extrem kurzfristig, die letzten Tage.

Eine echte Beratung war überhaupt nicht möglich. Das ist eine Missachtung des Kreistages und der ehrenamtlichen Mandatsträger. Mit einer speziell zugeschnittenen Beratungsgruppe aus Verwaltung, Kreistag und Kreisausschuss könnten wir das Kommunikationsdesaster vermeiden und einen gemeinsam abgestimmten Prozess eintakten – um zu verstehen und Kompromisse zu finden. Im KGST-Prozess nach der Immobilien- und Finanzkrise hatten wir gleiches im HFA installiert. Daher rührt auch der Tagesordnungspunkt Haushaltkonsoliderung, den sie bis dato nicht versucht haben auszufüllen.

Wir lehnen den von Ihnen eingebrachten Doppelhaushalt in Gänze ab.