Betreuung von Geflüchteten, Überprüfung des Personalschlüssels

Redebeitrag im Kreistag am 06.11.2023
Von Christian Grunwald, Fraktionsvorsitzender in Doppelspitze Bündnis 90/Die GRÜNEN
(Es gilt das gesprochene Wort.)

TOP 9: Vorlage 3080-2023/DaDi
Betreuung von Geflüchteten, hier: Überprüfung des Personalschlüssels


Sehr geehrte Frau Vorsitzende,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

den heutigen Beschlussvorschlag für die Betreuung der Geflüchteten mit Bleiberecht, die in einer Gemeinschaftsunterkunft wohnen, auf einen Personalschlüssel von einer Fachkraft zu 150 Geflüchtete zu verschlechtern, halten wir integrationspolitisch für falsch.

In dreifacher Hinsicht:

  1. Unangemessen gegenüber der Problemlage der Geflüchteten mit Bleiberecht in den Gemeinschaftsunterkünften,
  2. finanzpolitisch kurzsichtig und
  3. unverantwortlich gegenüber den Fachkräften, die die Beratung und Betreuung von Geflüchteten managen.

Wie in der vorhergehenden Debatte um die Unterbringungsgebührensatzung stellen wir mit unserer Ablehnung dieser Vorlage klar, dass es darum gehen muss, gerade die Geflüchteten mit Bleiberecht aus den Gemeinschaftsunterkünften „herauszuberaten“:
Diese Zielgruppe muss in Wohnraum und Arbeit vermittelt werden. Das ist der Schritt in die gesellschaftliche Integration. Es ist kontraproduktiv für diese Personengruppe die Beratungsleistung zurückzufahren.

Und aus finanzieller Sicht für den Landkreis ist jeder Platz, den wir in den bestehenden Gemeinschaftsunterkünften frei bekommen, ein gewonnener Platz für neu ankommende und unterzubringende Geflüchtete. Mit jedem freien Platz sparen wir die Neueinrichtung von Plätzen in neuen Gemeinschaftsunterkünften. Deswegen ist die Aufrechterhaltung des bestehenden Betreuungsschlüssel auch finanzpolitisch begründbar.

Mit der Absenkung des Betreuungsschlüssels verschlechtern wir die Arbeitsbedingungen für die Fachkräfte. In Zeiten des Fachkräftemangels und in einem Wettbewerb um erfahrene und motivierte Sozialarbeiter darf das nicht außer Acht gelassen werden.

Abschließend kritisieren wir den Zeitpunkt der Entscheidung: Gerade für die Kommunen, die die Betreuung eigenständig ausführen (Weiterstadt, Seeheim-Jugenheim, Groß-Zimmern, Eppertshausen, Münster) kommt die Veränderung des Personalschlüssels zur Unzeit: Die Verträge der Mitarbeiter*innen können nicht einfach mal so ab dem 01.01.2024 reduziert werden, weil das hier Beschlusslage ist.

Dies geht zu Lasten unserer Kommunen, verunsichert die Fachkräfte vor Ort und demotiviert sie in ihrer wertvollen Integrationsarbeit.

Sehr geehrte Kolleg*innen,

zurzeit tagen die 16 Ministerpräsident*innen, im Anschluss findet ein Bund-Länder-Treffen mit Kanzler Scholz zur Migrationspolitik statt.

Die Ministerpräsident*innen fordern deutlich stärkere finanzielle Unterstützung. Das Land Hessen hat am Freitag den hessischen Kommunen 50 Millionen Euro zusätzliche Mittel freigegeben. Weitere Hilfen sind vom Bund zu erwarten.

Aus unserer Sicht ist es unklug, jetzt über die Vorlage zu entscheiden. Deswegen empfehlen wir dem Kreistag, den Ausgang der heutigen Verhandlungen in Berlin abzuwarten und den TOP 9 zurückzustellen.