Sehr geehrte Frau Vorsitzende, meine sehr verehrten Damen und Herren,
lassen Sie mich meinen Bericht mit einem Zitat aus einer Publikation über „Kommunale Handlungsmöglichkeiten gegen Rechtsextremismus“ beginnen. Es heißt hier: Der Rechtsextremismus kann dort erstarken, wo die demokratische Kultur schwächelt […] Politische Ansätze sollten deshalb auf eine Stärkung der demokratischen Kultur ausgerichtet werden. Ansätze, die ausschließlich die Bekämpfung des Rechtsextremismus durch Repression verfolgen, greifen dagegen zu kurz. Und weiter heißt es hier: Der öffentliche Raum darf nicht dem Rechtsextremismus überlassen werden. Die Symbolwirkung öffentlicher Bekenntnisse gegen Rechtsextremismus durch Politiker und Politikerinnen wurde lange Zeit unterschätzt. Dabei kann die Situation schon allein dadurch erheblich entschärft werden, dass ein Vorfall öffentlich als rechtsextreme Tat benannt wird und sich die führenden Politiker und Politikerinnen zusammen mit den Bürgern und Bürgerinnen mit den Opfern solidarisch zeigen.
Ich denke, meine Damen und Herren, hier ist ziemlich genau die Stoßrichtung umschrieben, die auch unserer Arbeitsgruppe vorschwebte: Wir wollten Anregungen dafür geben, wie nach Aufdeckung der Gewalttaten der rechtsextremen Szene in Deutschland auch in unserem Landkreis Zeichen gesetzt werden könnten. Dazu war es zunächst notwendig, eine umfassende Bestandsaufnahme über die in unserer Region in der letzten Zeit registrierten rechtsextremen und auch antisemitischen Vorkommnisse zu erstellen. Wir haben uns dazu der verfügbaren Informationen bedient, Polizei und Staatsschutz interviewt, das Staatliche Schulamt und zuständige Jugendpfleger befragt, in Vereinen und Gewerkschaften nachgehört, uns über die Erfahrungen ausländischer Mitbürger und Mitbürgerinnen berichten lassen, insbesondere aber eine umfassende Umfrage unter den kreisangehörigen Städten und Gemeinden gestartet. Die Ergebnisse liegen Ihnen als schriftlicher Bericht vor [ich möchte dazu nur nachtragen, dass, nachdem auch die Städte Groß- Bieberau und Ober-Ramstadt haben antworten können, der Bericht weiter ergänzt werden konnte. Sollten die noch mit einer Antwort ausstehenden beiden Gemeinden sich noch melden können, wird auch dies noch eingearbeitet und später nachgereicht], und deswegen kann ich mir an dieser Stelle Einzelheiten ersparen.
Das Ergebnis der Bestandsaufnahme erscheint zunächst einmal erfreulich: Rechtsextreme Gruppierungen scheinen im Moment in unserer Region nicht öffentlich aktiv zu sein, und gravierende Vorkommnisse aus der rechtsextremen Szene konnten in der letzten Zeit kaum noch registriert werden. Insofern steht unser Landkreis gegenüber benachbarten Kreisen recht gut da. Doch warnen wir aus Arbeitsgruppe davor, sich nun beruhigt zurückzulehnen; denn nach allen Anzeichen, die uns vermittelt wurden, haben sich die Erscheinungsformen geändert. Es sind nicht mehr die öffentlich sichtbaren Springerstiefel, die auffallender provokative Kleidung und die abschreckende Demonstration in zwielichtigen Schlägergruppen. Es sind eher symbolische und bürgerlich-angepasste Formen, die selten den Grad der Strafbarkeit erreichen und schon gar nicht öffentlich Anstoß erregen wollen. Die Formate unterscheiden sich offenbar deutlich von denen der mitteldeutschen Länder. Deutlicher wird man da nur, wenn man unter sich ist, Gleichgesinnte dabei hat. Das passende T-Shirt, das mit einem einschlägigen Symbol auf öffentlichen Plätzen verteilt wird, auch der Versuch, in öffentliche Diskurse einzugreifen, um Einfluss auf Stimmungen und Meinungen der Bevölkerung zu gewinnen: Dies sind die Methoden, denen man manchmal nur schwer begegnen kann.
Insofern kommt es, wie ich schon sagte, auf eine innere Stärkung der demokratischen Kultur an, auf entsprechende Bildungsangebote im Landkreis, in den Schulen, in der Volkshochschule und in allen Bereichen, auf die der Kreis Einfluss nehmen kann. Vortragsveranstaltungen, Ausstellungen, Besuch von Gedenkstätten und überhaupt die Schärfung des Bewusstseins der Bevölkerung dafür, dass Rechtsextremismus eine innere Bedrohung der Demokratie darstellt und nur durch öffentliches und auch bürgerschaftliches Engagement im Sinne einer Stärkung der Demokratie bekämpft werden kann.
Nach unseren Recherchen hat sich aber auch gezeigt, dass es an einer Koordinierung in den jeweils zuständigen Ämtern und Dezernaten vielfach mangelt. Bisweilen sind in den Gemeindeverwaltungen sogar mehrere Stellen nebeneinander zuständig, für Präventionsmaßnahmen, Programmen in der Jugendarbeit andere Abteilungen als für die Reaktion auf einzelne rechtsradikale Vorkommnisse. Hier könnte man sich – wie auch in der Kreisverwaltung selbst – eine stärkere Zentralisierung vorstellen, gerade um bei Bedarf schnell eingreifen und reagieren zu können.
Vor allem aber sollten wir es bei diesem unseren Bericht nicht belassen, sondern die erkannten Defizite aufarbeiten und politische Handlungsziele formulieren. Ob am Ende ein „Netzwerk des Landkreises zur Stärkung der Demokratie und zur Abwehr von Rechts“ stehen wird, wie wir es vorschlagen, sollte man ernsthaft prüfen. Ein solches Netzwerk oder Bündnis sollte aber vor allem von bürgerschaftlichem Engagement getragen sein, von einschlägig erfahrenen Gruppen wie Vereinen, Gewerkschaften und Kirchen. Es sollte überdies eingebettet sein in ähnliche Initiativen benachbarter Landkreise und sich eng mit der Stadt Darmstadt absprechen. Am Ende unseres Berichts haben wir uns erlaubt, einige Vorschläge dazu zu machen.
Ich bin sehr froh darüber, dass wir unsere Vorschläge in gemeinsamer Arbeit aller im Kreistag vertretenen Fraktionen einschließlich einer Vertreterin des Kreisausländerbeirats vorlegen konnten. Gewiss, wir haben auch kontrovers diskutiert und um den richtigen Weg gerungen. Am Ende aber kam ein Ergebnis heraus, das keineswegs nur ein Kompromiss mit kleinstem gemeinsamem Nenner ist, sondern das von dem ehrlichen Willen aller zeugt, mit Ernsthaftigkeit und Energie gegen Neonazis in unserem Kreis vorzugehen, unsere demokratischen Strukturen zu stärken, damit der Rechtsextremismus keinerlei Chance bekommt.
Die vom Präsidium des Kreistags gebildete Arbeitsgruppe hat sich auf Grund eines Antrags der Fraktion der Linken gebildet, und wir sollten als Abgeordnete unabhängig von unserer Parteizugehörigkeit dankbar dafür sein, dass damit ein wichtiger Anstoß gegeben wurde. Ich möchte an dieser Stelle allen Mitgliedern der Arbeitsgruppe für ihre Arbeit danken. Ich möchte aber auch unserer Kreistagsvorsitzenden, Frau Wucherpfennig, danken, dass Sie unsere Arbeit ermöglicht und begleitet hat. Wenn am Ende ein gemeinsamer Antrag aller Fraktionen stehen wird, mit dem Ziel, Neonazis in unserem Kreis keine Chance zu geben, wäre dies auch ein Signal an die Bürger und Bürgerinnen unserer Region. Der Kampf gegen den Rechtsradikalismus und damit verbunden gegen den Antisemitismus ist zu wichtig, als dass er Gegenstand einer parteipolitischen Auseinandersetzung werden darf. Hier sollten wir alle, ohne Ausnahme, an einem Strang ziehen, in Interesse – ich sage es noch einmal – der Stärkung der Demokratie.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit
(F. Battenberg)