Kreistag 20. 3. 17, F. Battenberg
Sehr geehrte Frau Vorsitzende, meine sehr verehrten Damen und Herren,
Ja, es ist richtig, dass die damalige Koalition aus der SPD und den GRÜNEN vor fast genau fünf Jahren einen ähnlichen Antrag zur Umsetzung der UN-Behindertenrechts-Konvention eingebracht hatte. In meiner Antragsrede hatte ich damals darauf hingewiesen, dass in unserem Landkreis Maßnahmen ermöglicht werden sollten, um dem Ideal einer inklusiven Gesellschaft näher zu kommen. Wir haben auch durchaus Verständnis dafür, wenn die Opposition uns nun vorhält, der neuerliche Antrag bringe nichts wirklich Neues. Dennoch hat unser neuer Antrag seine Berechtigung.
Erstens: Unser Antrag von 2012 hatte nach dem damaligen Kreistagsbeschluss den Kreisausschuss verpflichtet, einen Maßnahmenkatalog auf der Grundlage einer Ist-Analyse zu erstellen. Aufgrund dessen konnte 2015 ein Inklusionsbericht vorgelegt werden, in dem über Erfolge und Defizite in der Frage der Inklusion bei unserer Kreisverwaltung berichtet wurde. Erst durch diesen Bericht wurde es möglich, konkrete, meist mit Kosten verbundene Maßnahmen ins Auge zu fassen. Zu beachten ist dabei, dass mit der UN-Konvention nicht ein einzelnes Segment zum politischen Handeln angesprochen wird, sondern eine Querschnittsaufgabe formuliert wurde, die ausnahmslos alle Bereiche politischen Handelns umfasst. Im Kreistags-Beschluss von 2012 konnte dazu nicht mehr als ein erster Anstoß gegeben werden.
Zweitens: Inklusion kann nicht durch einen einmaligen politischen Kraftakt umgesetzt werden, sondern bedarf eines dauerhaften Prozesses. Insbesondere hat der Kreistag das Recht und die Pflicht, Verwaltungshandeln dazu zu begleiten und Anstöße dazu zu geben, dass Maßnahmen zur Inklusion im Bewusstsein bleiben und zu einer nachhaltigen Veränderung unserer Gesellschaft beitragen. Man kann diesen Prozess mit dem Begriff des disability mainstreaming umschreiben; dies besagt, dass alles politische Handeln darauf abzielen muss, ungleiche Chancen in der Gesellschaft, besonders in Bezug auf körperliche Behinderungen, zu minimieren.
Drittens: Ziel einer Politik der Inklusion ist die Schaffung einer Gesellschaft, in der jeder Mensch an der Gesellschaft gleichberechtigt teilhaben kann, genauso, wie er oder sie ist. Über die Inklusion wird heute besonders in Bezug auf Menschen mit Handicap gesprochen. Konsequent zu Ende gedacht bedeutet dies jedoch zugleich, dass wir auch bei anderen benachteiligten oder diskriminierten Gruppen von Inklusion sprechen müssen, als einer weiteren Stufe nach der Integrationsleistung. Dies ist ein sehr ehrgeiziges Ziel, das natürlich auch nicht durch einen Landkreis allein gestemmt werden kann. Angesichts der zu erwartenden Kosten, auch wenn diese frühestens für den Haushalt 2018 genauer beziffert werden können, erscheint es wünschenswert, dass der Kreistag gegenüber der Verwaltung ein Signal gibt – um damit zu erkennen zu geben, dass er an einer effektiven Umsetzung der Vorgaben der UN-Konvention interessiert ist.
Viertens: Der Inklusionsbericht von 2014 lässt durchaus weiteren Handlungsbedarf erkennen, bei dem der Kreistag gefragt ist. Insbesondere ist noch ungeklärt, in welcher Weise die Beteiligung politischer Gremien stattfinden kann und wie die betroffenen Menschen mit Behinderung eingebunden werden können. Wichtig wäre die Einsetzung eines Beirats zur professionellen Begleitung des Inklusionsprozesses. Dies konnte im heutigen Antrag noch nicht konkretisiert werden, weil dazu noch nicht genügend Daten vorliegen. Es bedarf dazu sorgfältiger Recherchen und besonders die Berücksichtigung der Erfahrungen anderer Landkreise. Ich will nur als Beispiel auf den umfangreichen Aktionsplan des Landkreises München von 2015 hinweisen, der in seinen 250 Seiten alle nur denkbaren politischen Handlungsfelder thematisiert. Eine externe sozialwissenschaftliche Begleitung hatte hier diesen Kraftakt ermöglicht.
Fünftens: Der 2012 von der damaligen Koalition geforderte Maßnahmenkatalog reicht nicht aus, um den Forderungen der UN-Konvention nach einem inklusiven und damit selbstbestimmten Leben der betroffenen Menschen gerecht zu werden. Nötig ist ein vernetzter Aktionsplan, der als Bindeglied zwischen dem Aktionsplan der Landesregierung und den Aktionsplänen der Kommunen des Landkreises stehen muss. Der kreisweite Aktionsplan muss ein Steuerungsinstrument für das Handeln der Kreisverwaltung werden, das Zielvorgaben präzisiert, die in regelmäßigen Abständen im Hinblick auf ihre Umsetzung überprüft werden müssen. Uns ist dieser Prozess viel zu wichtig, als dass wir ihn mit einem einmaligen Anstoß der Verwaltung gänzlich überlassen können. Der heutige Antrag soll nach dem älteren Antrag eine zweite Stufe des Inklusionsprozesses in unserem Landkreis einleiten. Die Einbeziehung der Betroffenen ist hierzu konstitutiv.
Die Fraktion der GRÜNEN bittet deshalb darum, dem Koalitionsantrag unter Einbeziehung der zusätzlichen Formulierung „unter Beteiligung der Betroffenen“ zuzustimmen.
Politikinfosystem ladadi