Sozialverträglicher Wohnungsbau

14. 12. 15, F. Battenberg

Sehr geehrte Frau Vorsitzende, sehr geehrte Damen und Herren,
Ich möchte jetzt nicht zum Haushaltsplan insgesamt Stellung beziehen, sondern lediglich einige Worte zu dem Prüfantrag der Koalition zu einem Konzept über einen sozialverträglichen Wohnungsbau sagen. Dieser auf Initiative der GRÜNEN Fraktion –nach einer ausführlichen Debatte im Rahmen einer Fraktionsklausur entstandene – Antrag soll ein lange Zeit vernachlässigtes Instrument wieder mit Leben füllen, um möglichst rasch in den Städten und Gemeinden unseres Landkreises wieder ausreichend bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung zu haben. Es sind ja nicht nur die Flüchtlinge, für die Wohnmöglichkeiten dringend gesucht werden; auch viele einkommensschwächere Familien können sich angemessene Mietwohnungen ohne Unterstützungsleistungen nicht mehr leisten. Um hier Abhilfe zu schaffen, ist ein neues Konzept dringend erforderlich, in dem auch neue Bauformen und die Kombination unterschiedlicher Bewohnergruppen erprobt werden könnten.
Der soziale Wohnungsbau, der mittels staatlicher Förderung den Wohnungsbedarf für eben solche Gruppen, die auf dem freien Wohnungsmarkt nicht mehr zum Zug kommen, bezahlbaren Wohnraum schaffen will, ist nun seit beinahe 100 Jahren ein von der Sozialdemokratie der Weimarer Republik initiiertes Projekt, mit dem nach dem Zweiten Weltkrieg den Flüchtlingsproblemen begegnet wurde. Das erste und zweite Wohnungsbaugesetz von 1950 und 1956 hatten in auch in Hessen die bestehende Not sichtbar mildern können. Seit den achtziger Jahren kamen Landesprogramme hinzu, mit denen auch private Investitionen gefördert wurden, wenn sie das gleiche Ziel hatten.
Es ist jedoch offensichtlich, dass in den letzten Jahren aufgrund eines zurückgehenden Bedarfs der soziale Wohnungsbau vernachlässigt wurde. Allein in Hessen fehlen schon jetzt ca. 280.000 Sozialwohnungen. Im vergangenen Jahr allein sind 3.500 Wohnungen aus der Sozialbindung herausgefallen. Die Initiative „Impulse für den Wohnungsbau“ hat deshalb für Hessen die Verzehnfachung der im Landeshaushalt verfügbaren Mittel von 60 auf 600 Millionen gefordert, um wenigstens das bisherige Niveau zu halten. Die Landesregierung hat bereits reagiert. Sie hat im Entwurf eines neuen Wohnraumförderungsgesetzes die Verlagerung des Förderschwerpunkts zugunsten des sozialen Mietwohnungsbaus und des studentischen Wohnbedarfs angekündigt. Im Rahmen eines 230-Millionen-Programms soll nun nicht nur der Neubau, sondern auch die Umwidmung gewerblicher Flächen gefördert werden. Auf Initiative der SPD im hessischen Landtag wurde auch die „Nassauische Heimstätte“ durch Kapitalerhöhung für ein stärkeres Engagement fit gemacht.
Es ist uns in der Koalition klar, dass hier nicht in erster Linie der Landkreis, sondern die kreisangehörigen Kommunen gefordert sind, kraft ihrer Planungshoheit Bundes- und Landesmittel zu beantragen und gegebenenfalls gegen zu finanzieren. Das kürzlich in Mühltal beschlossene Projekt von Flüchtlingsunterkünften in Holzmodulbauwiese könnte z.B. so gefördert werden. Doch insgesamt dürften in Anbetracht des großen Nachholbedarfs die Kräfte und Eigenmittel der Kommunen nicht ausreichen, um den sozialverträglichen Wohnungsbau nachhaltig zu realisieren. Eine Bündelung aller verfügbaren Kräfte und Akteure auf Landkreisebene scheint uns daher notwendig. Ob und welche Möglichkeiten hier bestehen, müsste aber erst noch nach rechtlichen Kriterien sowie im Hinblick auf Zweckmäßigkeit und finanzielle Realisierbarkeit ausgelotet werden. Ob dazu externe Gutachten erforderlich sind, ob man auf den Erfahrungen anderer Landkreise aufbauen kann und inwieweit private Bauträger ins Boot geholt werden können, muss noch überprüft werden. Und natürlich kann, sofern sich ein solches Projekt als sinnvoll und realisierbar erweist, dies alles nur in Kooperation mit den Kommunen geschultert werden.
Wichtig erscheint uns aber vor allem, dass im neuen Haushalt erst einmal ein in seiner Höhe noch nicht genauer bezifferbarer Geldbetrag eingestellt wird, auch wenn dieser am Ende nicht in Anspruch genommen wird, weil auf externe Hilfe verzichtet werden kann. Insofern sind wir mit dem im HFA vorgeschlagenen Sperrvermerk durchaus einverstanden, mit dem verhindert wird, dass ohne Not Ausgaben betätigt werden, die den Einsparabsichten des Landkreises widersprechen. Für den Anschub eines kreisweiten Modells kommt es eher auf die Erarbeitung intelligenter und schnell umsetzbarer Lösungen an, die die vorhandenen gesetzlichen Möglichkeiten ausschöpfen, um möglichst bald tatkräftig umgesetzt werden zu können. Ob die Fördermöglichkeiten des Landes dazu ausreichend sind, wird sich zeigen. Jedenfalls hat die Landesregierung mit dem angekündigten Wohnraumförderungsgesetz ein wichtiges Signal gesetzt, und damit sind die Landkreise und Kommunen gefordert.
Und noch ein Wort zum Ergänzungsantrag der LINKEN: Es freut uns, dass hier unsere Initiative aufgegriffen wird und auf weitere, beachtenswerte Punkte hingewiesen wird. Es kann nichts schaden, die von den LINKEN angesprochenen Punkte eins und drei ebenfalls zu überprüfen, auch wenn sie teilweise schon in unserer Auflistung umfasst sind. Insofern sind wir damit einverstanden, dass diese unserem eigenen Prüfkatalog angefügt werden. Hinsichtlich des zweiten Punktes ist auf die eindeutigen Regelungen des Bundesbaugesetzes und die Zuständigkeit der Gemeinden zu verweisen, in die wir als Kreis nicht eingreifen können.
Die Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bittet deshalb darum, dem Haushaltsantrag 3259/15, ergänzt durch die Punkte eins und drei des Antrags der LINKEN, zuzustimmen.