Kreiskliniken, Jahresabschlüsse 2010 + 11

Kreistag 24.09.12
TOP 6, 7 und 18 
Brigitte Harth

Können wir Krankenhaus?
Bis vor einigen Jahren war ich selbst in der GRÜNEN Fraktion bei denen, die die Kreiskliniken nur allzu gerne verkauft hätten. „Können wir Krankenhaus?“ auf einem immer härter umkämpften Markt und vor dem Hintergrund einer unberechenbaren Gesundheitspolitik  – das war die Frage, die sich mir als Beobachterin im Kreistag aufdrängte. Seit einigen Jahren allerdings verfestigt sich unter einer neuen Leitung der Eindruck: Yes, we can. Die Entwicklung der letzten Jahre ist durch massiv steigende Patientenzahlen und höhere Einnahmen gekennzeichnet: Die Erlöse aus Krankenhausleistungen laut Jahresabschluss 2011 sind um 21 % gestiegen. Und offenbar ist es in letzter Zeit des Öfteren vorgekommen, dass die Kreisklinik Groß-Umstadt bis auf den letzten Platz belegt war.

Erfreuliche konzeptionelle Entwicklung
Noch erfreulicher finde ich allerdings die neuen konzeptionellen Entwicklungen der letzten Jahre. Dabei denke ich weniger an teure Apparate-Medizin wie die neue Weaning-Abteilung (Beatmungsentwöhnung); das ist sicherlich notwendig irgendwo anzusiedeln und vermutlich eine gute Einnahmequelle. Konzeptionell wichtiger sind mir aber Abteilungen und Ansätze, die die gemeindenahe Versorgung auf gutem Niveau ermöglichen wie etwa das neue Zentrum für seelische Gesundheit, das vorbildlich mit einem ambulanten Ableger in Dieburg kombiniert wurde. Oder die Geriatrie, die gerade erneuert und erweitert wird, offenbar mit einer notwendigen gerontopsychiatrischen Verbindung zur Psychiatrie. Und der neueste Knüller: die neue Ausrichtung von Jugenheim als ANOA-Klinik, also mit Spezialisierung auf Erkrankungen des Bewegungssystems (akut und chronisch) einschließlich Schmerzerkrankungen, die von interdisziplinären Teams auf neuen Wegen behandelt werden. Es wird also in Zukunft auch für Kassenpatienten möglich sein, die chronifizierten Rückenschmerzen osteophatisch behandeln zu lassen! Was sich in den Kreiskliniken in den letzten Jahren getan hat, begrüßen wir als GRÜNE mit voller Überzeugung: Hut ab! Insbesondere wenn es offenbar gelingt, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mitzunehmen. Denn Zeiten der Erneuerung sind immer auch unruhige Zeit für Mitarbeiter.

Konzeptwettbewerb Bergstraße
Die Ausgangslage der Kreiskliniken also ist durchaus erfreulich; gleichwohl bemüht sich die Leitung der Kreiskliniken bereits seit Jahren um Kooperationen mit anderen Kliniken im regionalen Umfeld. Nicht immer einfach – da herrschen Kirchturmdenken und andere Leitungsstile vor (Klinikum DA), und manchmal sind es auch andere Wertesysteme (Rochus), die eine Kooperation verhindern. Der Konzept-Wettbewerb des KKH Bergstraße hat sich da durchaus als große Chance herausgestellt, die ergriffen werden musste – alles andere wäre verrückt gewesen. Dass wir gegen den „Markt-Riesen“ Uniklinik HD nicht angekommen sind, ist schade, aber nicht ehrenrührig. Das Geld hat wieder einmal den Sieg davon getragen – die kluge, langfristig angelegte Konzeption einer Vereinigung der kommunalen Kliniken in Südhessen ist dafür auf der Strecke geblieben. Das ist eine Enttäuschung, besonders nach dem hohem Arbeitseinsatz von Landrat und Klinik-Leitung, die aber einfach nur so hingenommen werden kann. Vielleicht hilft der Einsatz dennoch, die eine oder andere Kooperationstür aufzuschließen.

CDU-Antrag Kooperationen
Die CDU hatte im April bereits einen Antrag gestellt, Kooperationen mit anderen Krankenhäusern einzugehen, und ihn jetzt erneuert: Da kann man ja fast nur ironisch reagieren und sagen: Ach sieh an, welch neuartige und originelle Idee!! Im April arbeiteten der Landrat und die Klinikleitung denn auch bereits am Konzeptwettbewerb. Es wirkt ziemlich bemüht, wenn die CDU im Nachhinein von „verlorener Zeit“ spricht, weil man parallel nicht andere Kooperationen ausgearbeitet hätte – mehrere solcher Projekte wären arbeitsmäßig überhaupt nicht leistbar gewesen.  Etwas zu fordern, woran bereits mit Volldampf gearbeitet wird, ist überflüssig und allerhöchstens noch hilflos, aber nicht hilfreich.

Grüttner-Konzept
Nun hat der hessische Sozialminister Grüttner sein Konzept „Konzern öffentlicher Krankenhäuser“ vorgestellt, wo die hessischen Städte und Landkreise ihre 43 kommunalen Kliniken in eine Stiftung einbringen sollen. Gleichzeitig wird ein Zweckverband für die landesweite medizinische Grundversorgung gegründet. Die Synergie-Effekte wären so umwerfend, dass schon nach 5 Jahren schwarze Zahlen geschrieben würden.
Haben wir dann noch Einfluss auf unsere Kreiskliniken? Ich zitiere dazu die FR: „Der politischen Einflussnahme der Träger auf die Kliniken, die viele Probleme verursache, werde ein Ende gesetzt, erklärte Grüttner.“ Und die Frankfurter Neue Presse: „Oft seien die Schwierigkeiten hausgemacht durch den hohen Einfluss der Träger.“ Diesen störenden Einfluss der Geldgeber, der Kommunen also, will Grüttner ersetzen durch ein Konstrukt auf Landesebene, das dann (so kann man daraus schließen) keinerlei Einfluss mehr nimmt. Allerdings haben wir aus dem LWV gelernt: Eine solche Konstruktion ist natürlich dem politischen Einfluss nicht entzogen, allerhöchsten dem politischen Einfluss der kommunalen Ebene. Die Landesebene übt natürlich weiterhin massiv politischen Einfluss aus, nur zahlen müssen die Kommunen noch. Dass hier so getan wird, als wäre eine solche Groß-Konstruktion Stiftung und Zweckverband total unpolitisch, das muss doch schon misstrauisch machen.
Und ist die Größe dieser Konstruktion nicht schon jenseits der Optimierungsgrenzen?
Es ist ein einfaches Konstrukt, was Minister Grüttner da vorgelegt hat, ein Konstrukt, das sich nicht die Mühe überflüssiger Differenzierung macht. Für die Landesebene wäre es durchaus vorteilhaft: wachsender Einfluss auf die Landschaft der kommunalen Krankenhäuser bei finanzieller Zuständigkeit der Kommunen. Ob es für die Kreiskliniken auch ein vorteilhafter Weg ist? Ich bin gespannt auf die kompetente Bewertung durch unsere Klinik-Leitung.