Redebeitrag zur Kreistagssitzung am 13.02.2023
Von Wolfgang Stühler, Fraktionsmitglied Bündnis 90/Die GRÜNEN (Es gilt das gesprochene Wort.)
zu TOP 9: Vorlage 2288-2022/DaDi Ergänzungsvorlage und Fortschreibung des Haushalts für das Haushaltsjahr 2023
zu TOP 9.1: Vorlage 2498-2023/DaDi Stellungnahme der Gemeinde Modautal zum Haushalt 2023
zu TOP 9.2: Vorlage 2508-2023/DaDi Stellungnahme der Gemeinde Otzberg zum Haushalt 2023
Sehr geehrte Frau Vorsitzende,
sehr geehrte Damen und Herren,
ich möchte zu Beginn meiner Ausführungen Prof. Bert Rürup, Chefökonom des Handelsblatt Research Institutes, mit folgender Aussage in seinem Newsletter vom 10.02.2023 zitieren:
„Überschrift: Stark sinkende Reallöhne. Vielleicht am offenkundigsten verdeutlicht jedoch folgende Zahl die Malaise, in der die deutsche Volkswirtschaft steckt:
Die Reallöhne sanken im vergangenen Jahr um 4,1 % gegenüber 2021 – und damit bereits das dritte Jahr in Folge, wie das Statistische Bundesamt meldete.
Die hohe Inflation führte zu dem stärksten Reallohnverlust für Beschäftigte seit Beginn der Zeitreihe 2008.
Nach nunmehr drei Rückgängen in Folge ist die reale Kaufkraft der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen nun so hoch – richtiger: so niedrig wie im Jahr 2014. Den Beschäftigten fehlen damit die Wohlstandsgewinne der vergangenen acht Jahre.“
Das ist die Realität! Umso mehr ein Grund für uns mit dem Geld der Steuerzahler*innen sehr sorgfältig umzugehen.
Vor uns liegt nun zur Entscheidung der Anpassungsbeschluss zum Haushaltsjahr 2023 im Rahmen des Doppelhaushalts 2022/2023.
Bereits mit Genehmigung des Haushalts 2021 attestierte das RP dem Landkreis Darmstadt-Dieburg eine „erheblich eingeschränkte“ finanzielle Leistungsfähigkeit und mahnte erhöhte Anstrengungen zur Haushaltskonsolidierung an. Hiermit also Maßnahmen zu ergreifen, die zum Abbau des Haushaltsdefizits, einer Verringerung der Nettokreditaufnahme und/oder zum Schuldenabbau beitragen, um auf diesem Weg wieder die haushaltspolitische Flexibilität zurückzugewinnen.
Zur Umsetzung dieses Vorhabens dient das bestehende Haushaltssicherungskonzept, das darstellen soll, welche Maßnahmen der Landkreis ergreifen will, um das Defizit zu verringern und das weiterhin aufzeigen soll, in welchem Zeitraum wieder ein ausgeglichener Haushalt erreicht werden soll.
Eine mögliche Verbesserung des Ergebnisses hat eine Ertrags- und eine Aufwandskomponente. Das ordentliche Ergebnis im Anpassungsbeschluss ist um 6,2 Mio. EUR besser als im ursprünglich beschlossenen Doppelhaushalt 2022/2023. Im Wesentlichen das Ergebnis einer positiven Entwicklung auf der Ertragsseite durch Verbesserungen beim kommunalen Finanzausgleich sowie einer Erhöhung des Hebesatzes der Kreis- und Schulumlage von 53,45 % im ursprünglichen Haushaltsplan 2022/2023 auf 57,69 % im vorliegenden Anpassungsbeschluss.
Die durch die gestiegenen Kreisumlagegrundlagen und erhöhten Hebesätze zu verkraftende Mehrbelastung für unsere Städte und Gemeinden liegt bei insgesamt 26,9 Mio. EUR.
Gemäß der vorliegenden Stellungnahme der Gemeinde Modautal zum Haushalt 2023 scheint die erneute Erhöhung des Gesamthebesatzes der Kreis- und Schulumlage für viele Kommunen längerfristig nicht tragbar. Lt. Bürgermeister Jörg Lautenschläger spiegelt die zum Haushaltsjahr 2023 zur Beurteilung der finanziellen Leistungsfähigkeit der Städte und Gemeinden verwendete Mittelfrist-KASH-Betrachtung nicht die tatsächliche finanzielle Lage der Kreiskommunen aufgrund veralteten Datenmaterials wider. Die bei der Vorstellung der Anpassungsvorlage vom Landrat erbetene Aktualisierung der KASH-Übersicht sei nicht erfolgt. Lt. Bürgermeister Lautenschläger müsste in die Überlegungen als weitere Kennzahl die Finanzkraft pro Einwohner mit einfließen. Insgesamt verfügen die Kreiskommunen wohl über eine recht hohe Finanzkraft. Allerdings ist die Spanne zwischen finanzstarken und finanzschwachen Kommunen sehr groß. Ein gleichlautendes Schreiben de Gemeinde Otzberg liegt ebenfalls vor. (Red. Anmerkung: Bis zum Kreistag lagen weitere Stellungnahmen von Bickenbach https://session-net.ladadi.de/buergerinfo/vo0050.asp?__kvonr=22971 und Mühltal https://session-net.ladadi.de/buergerinfo/vo0050.asp?__kvonr=22972 vor.)
Aufgrund der veränderten Sachlage durch die beiden Schreiben aus Modautal und Otzberg möchten wir unseren gemeinsamen Geschäftsordnungsantrag aus dem letzten HFA erneut zur Abstimmung stellen, um genügend Zeit zur Beratung innerhalb unserer Fraktionen zu haben.
Wie mich unser Fraktionsvorsitzender Christian Grunwald informierte, gab es bis 2014 im Rahmen des Haushaltskonsolidierungsprozesses Ladadi einen sog. Kreisausgleichsstock, von dem kleinere, finanz- schwache Kommunen profitierten. Sozusagen ein Landkreis-Finanzausgleich. Eine interessante Idee.
Aber jetzt noch einmalmal zum Haushaltssicherungskonzept und damit zur Aufwandsseite und zu den dringend erforderlichen Sparmaßnahmen im Rahmen der Konsolidierung der Kreisfinanzen.
Zwar können die geplanten Defizite von in Summe rd. 28,6 Mio. € im Ergebnishaushalt für den Zeitraum 2022 – 2026 durch Auflösung von Rücklagen ausgeglichen werden, nicht jedoch die Defizite im Finanzhaushalt von kumuliert 42 Mio. € im gleichen Zeitraum, deren Betrag mit überjährigen Liquiditätskrediten gleichzusetzen ist, die es lt. Hessenkasse nicht mehr geben dürfte. Ein konkreter Weg zur Rückführung diese Kreditinanspruchnahmen ist derzeit nicht ersichtlich.
Die bisherigen Konsolidierungsanstrengungen des Landkreises waren aus unserer Sicht nicht ausreichend und müssen drastisch verstärkt werden. Daher unterstützen wir die beiden Anträge von Freie Wähler / UWG, die das gleiche zum Ziel haben. Neue Einsparpotenziale zu identifizieren. Über alle Parteigrenzen hinweg.
In der aktuellen Fortschreibung des Haushaltssicherungskonzeptes werden nur Einsparungen im Bereich des ÖPNV aufgeführt. Wir halten diese für falsch und rückwärtsgewandt.
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wird dem Anpassungsbeschluss zum Haushaltsjahr 2023 nicht zustimmen.
Besten Dank für Ihre Geduld!