Kreistag 24.06.2019
Marianne Streicher-Eickhoff
Sehr geehrte Frau Vorsitzende,
meine Damen und Herren,
die Gesundheitspolitik bewegt sich nach wie vor im Spannungsfeld zwischen Versorgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit und Konkurrenz.
Wir diskutieren und streiten immer wieder um insbesondere die Themen:
Wo soll oder muss sich die öffentliche Hand engagieren?
Wieviel originäres Geld des Landkreises kann und will die Politik dafür bereitstellen?
Können wir langfristig die Ungleichheiten in der ärztlichen Versorgung im Landkreis ausgleichen?
Und – immer wieder:
Was können wir tun, um uns gegenüber den großen Gesundheitskonzernen der Republik zu behaupten – im Interesse des Erhalts ortsnaher hochqualifizierter stationärer und ambulanter ärztlicher Versorgung in der Fläche.
Und letztendlich: Kann der „Gesundheitskonzern Kreis“ eine adäquate Lösung sein? Und ist sie finanzierbar?
Die nun vorgelegten Matrizen können uns dazu keine Antwort geben. Bei genauer Betrachtung geben sie uns auch keine Antwort auf die Sinnhaftigkeit und Wirtschaftlichkeit der Gründung einzelner MVZ.
Vielmehr haben wir die bisherigen Matrizen immer dann hervorgeholt, wenn es um den Ankauf von Arztsitzen ging. Mehrere davon bringen wir in der Regel im MVZ unter. Hausärzte und Fachärzte gemischt. Das macht doch eigentlich das klassische MVZ aus.
Dabei ist uns allen klar, dass es den Hausarzt im Sinne des Arztes, der „ins Haus“ kommt, nur noch in den seltensten Fällen gibt. Der nennt sich jetzt „Facharzt für Allgemeinmedizin“ und praktiziert in der Regel vor Ort – d.h. auch in kleineren Gemeinden, wie wir uns das wünschen.
Aber auch da muss uns klar sein, dass eine Konzentration auf zentrale Standorte stattfindet und da können wir als Landkreis nicht anders agieren. Langfristig wird nicht jede Gemeinde, die den Antrag stellt, ein hausärztliches MVZ durch den Kreis erhalten können. Auch hier muss es Einzelentscheidungen geben und Verhandlungen mit den Kommunen über finanzielle Beteiligungen. Der gemeinsame Änderungsantrag von der Koalition und der CDU setzt hier die Hürden etwas höher an. Schließlich bedeutet das MVZ in der Kommune einen deutlichen Standortvorteil. Und möglicherweise kann ein finanzieller Anreiz durch die Kommune auch manchen Freiberufler zur Übernahme einer vorhandenen Praxis bewegen. In Eppertshausen und Groß-Zimmern scheint das funktioniert zu haben.
Anders verhält es sich bei den Facharztsitzen. Wegen der sich verstärkenden Tendenz der Verlagerung von stationären Operationen zu den ambulanten wird der Zusammenhang zwischen Wirtschaftlichkeit unserer Kreiskliniken und den in Facharztpraxen durchgeführten ambulanten Operationen deutlich. Primäres Interesse der Kreiskliniken ist deshalb der Erwerb von Facharztsitzen, die als Nutzer vorhandener OP-Räume in den Kreiskliniken Synergien nutzen können und als Zuweiser für stationäre Leistungen in Frage kommen.
Insofern konnte die Koalition sich auch mit dem Gedanken der CDU zur Erhöhung der Punktzahl für die Wirtschaftlichkeit anschließen.
Meine Damen und Herren,
wir werden vermutlich weiterhin um die Entscheidung über jedes MVZ und den Ankauf von Arztsitzen ringen. Aber immerhin – so hoffen wir – haben wir nach dieser Beschlussfassung heute eine aktualisierte, einvernehmliche Richtlinie für unser weiteres Vorgehen in der Angelegenheit.
Lassen Sie mich aber noch anmerken:
Arztsitze können – entsprechend ihrer Bedeutung und Dichte – in Zulassungsbereichen unterschiedlicher Größe verlegt werden. So hart manche Verlegung für eine Gemeinde oder deren Ortsteil auch sein mag; die Verlegung ist nicht per se eine Katastrophe, die Eingreifen der öffentlichen Hand erfordert. Eine aus privatwirtschaftlichen Gründen vorgesehene Verlegung bei Wechsel des Inhabers in einen anderen Ortsteil, in einen Nachbarort oder auch nach Darmstadt muss für die Versorgungssicherheit der Landkreisbevölkerung, für die Erreichbarkeit der Praxis oder der Auslastung unserer Kreiskliniken nicht immer von Nachteil sein.
Wenn unsere MVZ-Politik langfristig erfolgreich sein soll, müssen wir uns Gedanken über deren räumliche Verteilung machen – genauso wie wir das bei der Erziehungsberatung, der Pflegestützpunkte und den Servicestellen für eine zukünftigen Verwaltung tun.