Von: Martin Tichy, Fraktionsmitglied BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
TOP 8, Vorlage Nr. 5172-2024/DaDi, 1. Nachtragwirtschaftsplan 2024 des Eigenbetriebs der Kreiskliniken Darmstadt-Dieburg
Es gilt das gesprochene Wort.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
80 Prozent der Kliniken in Deutschland sind defizitär, Tendenz steigend. Krankenhäuser in Größe und Lage unserer Kreiskliniken gibt es vermutlich nur noch einzelne, die – wenn – eine schwarze Null erreichen. Diese Situation belastet die Beschäftigten in den Kliniken, die jeden Tag nicht nur dafür sorgen, dass der Laden läuft, sondern trotz des permanenten Personalmangels und der steigenden Bürokratie alles geben, damit die Patient:innen die bestmögliche Behandlung und Pflege bekommen. Sie sind am Defizit nicht schuld und können es auch nicht wirklich beeinflussen Dies ist frustrierend und demotivierend.
Der hat gut reden, werden Sie jetzt vielleicht denken. Was Sie nicht wissen können, meine beiden Schwestern sind in Kliniken tätig bzw. lange tätig gewesen.
Die Gründe für den Frust liegen in Berlin und Wiesbaden. Seit Jahren verweigert man dort eine auskömmliche Finanzierung von Betrieb, Unterhalt und Neubau der Kliniken. Da nehme ich keine Partei aus. Aushalten und ausbaden müssen das nicht nur die Beschäftigten, sondern auch wir als ehrenamtliche Kommunalpoliter:innen.
Dabei sind die Kliniken als Teil der Daseinsvorsorge eine wichtige und spannende Aufgabe die bei den Kreisen richtig verortet ist. Es geht uns wie den Beschäftigten, wir können weder an der Finanzierung noch an den Strukturen etwas ändern. Mit einem Defizit der Kreiskliniken haben wir uns längst abgefunden, aber nicht mit einem dieser Art und Höhe.
Als GRÜNE stimmen wir dem Nachtragswirtschaftsplan nicht zu. Die Gründe dafür sind:
- Das Defizit verdoppelt sich von 10 Mio auf 20 Mio €, dies ist eine für uns bisher unbekannte und erschreckende Dimension. Geld, das an anderer Stelle im Kreis und jeder einzelnen Kreiskommune fehlt.
- Informiert und eingebunden wurden wir dazu kurz vor Ende des Jahres. Diese Entwicklung war nicht früher erkennbar? Eine Information und Einbindung nicht früher möglich?
- Die Abschreibungszeiträume müssen korrigiert und verkürzt werden.
- Die Fallzahlen waren viel zu optimistisch angesetzt.
Für die Defizitexplosion gibt es offensichtlich wesentliche Ursachen, die nichts mit Berlin oder Wiesbaden zu tun haben.
Ich habe gelernt: nichts ist planbarer als die Abschreibung. Zu den Fallzahlen möchten wir daran erinnern, dass wir diese bereits bei der Vorlage des Wirtschaftsplanes hinterfragt und als zu optimistisch betrachtet haben. Ich bin mir fast sicher, da waren wir nicht die einzigen, sondern diese Vermutung ging durch alle Fraktionen.
Erschwerend hinzu kommt für uns, dass sich das Defizit bei den MVZ, entgegen gegenteiliger Ankündigungen, ebenfalls verdoppelt hat.
Ich denke, wir sind uns alle einig, wenn ich feststelle: Ein Defizit in dieser Höhe überfordert die Leistungsfähigkeit des Kreises und seiner Kommunen. Als GRÜNE waren und sind wir bereit, ein Defizit der Kreiskliniken mitzutragen. Bei den MVZ ist für uns eine schwarze Null hingegen zwingend notwendig. Defizite wenn, dann nur als kurzfristige und begrenzte Ausnahme und nicht als steigender Dauerzustand.
Es ist unsere Aufgabe, den Bürger:innen nicht nur darzulegen, sondern glaubhaft und nachvollziehbar zu erklären, dass und wie wir unsere Aufsichtspflicht wahrgenommen haben und dass wir alles unternommen haben, um das Defizit zu begrenzen.
Was das Berichtswesen betrifft, haben wir bereits Vorschläge gemacht, unabhängig von der jetzigen Situation. Es liegt in der Hand des Landrates und der Geschäftsführung, verloren gegangenes Vertrauen wieder herzustellen.
Wir sind frustriert, genervt und besorgt angesichts der Situation. Im Interesse der Kreiskliniken, der Beschäftigten und Patient:innen bleibt unsere Hand weiter ausgestreckt, konstruktiv Lösungen zu suchen und gemeinsam Entscheidungen zu treffen.