Gründung Medizinischer Versorgungszentren

Kreistag 01.02.2016
Brigitte Harth

Es ist ein Jahr her, dass der Landrat ein 60-Seiten-Papier über Gesundheit im Kreis vorgelegt hat, das einige wichtige und diskussionswürdige Ansätze für eine medizinische Versorgung der Bevölkerung im Kreis enthielt, z. B.:
• Einrichtung von MVZs zur Sicherung der haus- und fachärztlichen Versorgung
• Versorgung des ländlichen Bereichs durch rollende Arztpraxen
• Gersprenz-Pflegeeinrichtungen unters Dach der Kreiskliniken bzw. eines „Gesundheitskonzerns“ holen.
Als es im Herbst außer internen Gesprächen in Fraktionen und Interessensverbänden noch keine öffentliche Diskussion in den Gremien dazu gegeben hatte, wurden CDU und FDP (zu Recht) unruhig, und wir einigten uns darauf, zumindest die Debatte um MVZ-Gründungen vorzuziehen und zumindest hierzu noch eine gemeinsame Position in dieser Wahlperiode zu erarbeiten. Dies ist mit dem vorliegenden Antrag gelungen.
Die anderen Fragen, die der Landrat in seinem Papier aufgeworfen hat, bleiben offen und werden in den nächsten Jahren weiter diskutiert werden müssen. Dabei ist die aufgeworfene Frage, ob die medizinische Versorgung und die Altenpflege in einem gemeinsamen Gesundheitskonzern gut aufgehoben sind, eine äußerst spannende und eine der wenigen politischen Fragen, wo ich es jetzt schon bedaure, dass ich diese nicht mehr mit Ihnen in den Gremien diskutieren werde.
Bemerkenswert ist: Die Landkarte der medizinischen Versorgung verändert sich. Die Basis unseres Gesundheitssystems, die hausärztliche Versorgung, für viele der älteren Anwesenden ja etwas Gewohntes und „Normales“, diese bricht in ländlichen Gebieten allmählich weg. Die Analysen sind eindeutig: Ein großer Teil der heute noch praktizierenden Hausärzte ist über 50, oft sogar über 60, und dort wo diese Hausärzte sich zur Ruhe setzen, wird es immer schwieriger, Nachfolger für die Hausarztsitze zu finden.
Dies hat viele verschiedene Ursachen, eine davon ist sicherlich die Spezialisierung im medizinischen Bereich. Der Hausarzt als Allrounder, der „seine“ Patienten kennt, der eine Mischung aus Seelsorger und Mediziner ist, der wird vielleicht noch in Fernsehserien aufs Podest gehoben – seine Lobby in den Kassenärztlichen Vereinigungen ist offenbar gering. Und seine „Ent-lohnung“ ist im Vergleich zu hochgerüsteten Apparate-Medizin-Dienstleistern oft auch nicht richtig „lohnend“. Unser Gesundheitssystem lässt die hausärztliche Versorgung auf dem Land allmählich zusammenbrechen.
Es war uns deshalb wichtig, zwischen hausärztlichen und fachärztlichen MVZs zu unterscheiden. Wir hatten und wir haben in der GRÜNEN Fraktion Bedenken, dass jeder Eingriff in die vorhandene Struktur das Praxissterben begünstigen könnte. Deshalb war uns wichtig, einen Eingriff in die ohnehin angegriffene Struktur der hausärztlichen Versorgung als „Ultima ratio“ zu definieren; der Kreis soll also ein hausärztliches MVZ nur dann gründen, wenn es wirklich keine andere Möglichkeit gibt, die hausärztliche Versorgung zu sichern.
Und noch ein anderer Punkt war uns in dieser Debatte wichtig: Wenn wir als Grundprinzipien festlegen, dass MVZ-Gründungen im hausärztlichen Bereich nur als „Ultima ratio“ möglich sind, fachärztliche MVZs aber deutlicher in der Anbindung an die Kreiskliniken passieren, dann muss jede einzelne MVZ-Gründung gesondert bewertet werden. Wir verfolgen also kein Konzept, das systematisch MVZs über den Landkreis verteilt, sondern es geht immer um den Erhalt und den Ausbau medizinischer Ressourcen im Kreis. Das heißt aber, dass jede einzelne MVZ-Gründung im Kreistag diskutiert, bewertet und entschieden werden muss.
Dieses Thema wird uns also die nächsten Jahre lang weiter begleiten. Ich bin sicher, dass die handelnden Akteure versuchen werden, ihre Entscheidungen sorgfältig abzuwägen.
Ich möchte mich mit diesem Redebeitrag von Ihnen verabschieden. Ich bedanke mich für jeden konstruktiven Streit, auch für gemeinsame Lernprozesse und für die Wertschätzung, die ich – manchmal überraschend – erfahren habe. Die Tatsache, dass ich mich mit einem Redebeitrag zu einem TOP verabschiede, wo Initiativen unseres SPD-Landrats, der CDU-Fraktion und der FDP-Fraktion eingeflossen sind und der dann auch noch ein Stückweit die GRÜNE Handschrift trägt, diese Tatsache nehme ich als ein gutes Zeichen.
Danke für Ihre Geduld.