Leitantrag des Kreisvorstands von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Landkreis Darmstadt-Dieburg
Der Kreisverband Darmstadt-Dieburg von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN verurteilt auf das schärfste den völkerrechtswidrigen und barbarischen Angriffskrieg Putins und seines belarussischen Getreuen – eine Aggression, die in Widerspruch zu allen Prinzipien der Völkerverständigung und Humanität steht. Wir stehen mit der gesamten Weltgemeinschaft und auch mit den Demonstrierenden in Russland und Belarus an der Seite der Ukraine. Wir begrüßen insbesondere die gegen Russland und Belarus verhängten Sanktionen.
Dieser Angriffskrieg, der uns „in eine andere Zeitrechnung katapultiert“ hat (Annalena Baerbock) zwingt uns dazu, die bisherigen friedenspolitischen Positionen der Partei zu überdenken und über das Verbot von Waffenlieferungen und der Aufrüstung unter dem Gesichtspunkt des Rechts zur Selbstverteidigung durch eine völkerrechtswidrig angegriffene Nation in der Mitte Europas neu nachzudenken. Wir lehnen ungeachtet dessen weiterhin solche Waffenlieferungen, die eine Aufrüstungsspirale nach sich ziehen ab. Trotz der bisher ernüchternden Bilanz muss die diplomatische Gesprächsebene aufrechterhalten werden.
Wir sehen jedoch, dass das Recht der Ukraine auf Selbstverteidigung ohne Waffenlieferungen der europäischen Staatengemeinschaft nicht gewährleistet werden kann. Durch selbstgebastelte „Molotow-Cocktails“, durch improvisierte Straßensperren und ohne Luftabwehr kann die Ukraine einer hochgerüsteten russischen Armee, die auch vor Streubomben auf zivile Ziele nicht zurückschreckt, nicht standhalten. Hier trägt auch Deutschland, das selbst in der Nazizeit der Ukraine ungeheures Leid zugefügt hatte, Verantwortung, mit der Folge, dass wir die Lieferung von Waffen an die Ukraine nicht allein unseren Verbündeten in der EU und der NATO überlassen dürfen. Deshalb unterstützen wir die Haltung der Bundesregierung in dieser Frage, soweit sie sich auf die Lieferung von Defensivwaffen bezieht.
Die von Bundeskanzler Scholz angekündigte Einrichtung eines Sondervermögens für die Bundeswehr in Höhe von 100 Milliarden Euro sehen wir sehr kritisch. Auch wenn viele Probleme der Bundeswehr gelöst werden müssen, und besonders das Beschaffungswesen reformiert werden muss, sollte man doch eher darüber nachdenken, ob dieses Geld nicht eher in eine umweltgerechte und soziale Zukunft Europas und einen beschleunigten Ausbau der Erneuerbaren Energien investiert werden kann. Nur ein solcher Ausbau kann dazu führen, dass die einseitige Abhängigkeit von russischer fossiler Energie beendet und den sicherheitspolitischen Interessen Deutschlands im Rahmen der EU gewahrt werden. Damit würden wir auch unsere Klimaziele verstärkt verfolgen können.
Darüber hinaus erinnern wir an die im Koalitionsvertrag verankerten Pläne zur Abrüstung und Rüstungskontrolle, z. B. das Rüstungsexportkontrollgesetz, oder die Pläne zur Nuklearen Abrüstung.
Wir sind froh darüber, dass sich die in der EU organisierte Staatengemeinschaft des durch die russische Aggression entstandenen Flüchtlingsproblems im Rahmen länderübergreifender bürgerschaftlicher Hilfsaktionen beherzt angenommen hat. Dies gilt auch für die deutsche Bundesregierung, die die notwendigen Maßnahmen für die Ersthilfen und Unterbringung der Geflüchteten aus der Ukraine getroffen hat. Die Bereitschaft zur zeitlich befristeten Aufnahme von Geflüchteten aus diesem Land darf jedoch nicht dazu führen, dass andere asylberechtigte Geflüchtete, wie diejenigen aus dem Nahen Osten und aus Afrika, aus dem Blick geraten. Aus unterschiedlichen Gründen verdienen beide unsere Hilfe. Wir fordern unseren Landkreis auf, im Rahmen seiner rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten Unterbringungsmöglichkeiten ohne bürokratische Hindernisse zu organisieren.
Wir sehen in der Reaktion auf die russische Aggression die Chance, dass sich Europa wieder auf seine gemeinsamen demokratischen Werte besinnt und in neuer Einigkeit handelt. Deshalb ist es wichtig, dass der Eilantrag der Ukraine auf Aufnahme in die EU zügig behandelt wird, dass aber auch andere, von russischen imperialen Fantasien bedrohten europäischen Nationen wie Moldavien (einschließlich Transnistrien), Georgien (einschließlich Südossetien) und – ein von Lukaschenko befreites – Belarus eine Chance auf Mitgliedschaft in der europäischen Staatengemeinschaft erhalten. Wir fordern die Bundesregierung auf, sich für eine schnelle Aufnahme der Ukraine in die EU – im Rahmen des üblichen Antragsverfahrens – einzusetzen.
Beschlossen auf der Kreismitgliederversammlung am 18.3.2022