Kreistag 14.12.20,F. Battenberg
Sehr geehrte Vorsitzende, meine sehr verehrten Damen und Herren,
Gleich zu Beginn möchte ich klarstellen, dass unsere Fraktion dem Haushaltsentwurf samt der Ergänzungsvorlage zustimmen wird, obwohl durch die Fehlbeträge im Finanzhaushalt ein Ausgleich nicht erreicht wird und damit die Erfordernisse von § 92 HGO nicht erfüllt wurden. Soweit ich sehe, sind weitere Einsparmöglichkeiten nicht mehr oder nur durch schmerzhafte Einschnitte möglich. Es musste also ein Haushaltssicherungskonzept mit Angaben zu geplanten Konsolidierungsmaßnahmen erstellt werden. Dieses liegt nun vor, mit der Maßgabe, dass „aufgrund der bestehenden Planungsunsicherheiten für das Haushaltsjahr 2021“ verbindliche Festlegungen darüber innerhalb der mittelfristigen Finanzplanung nicht erfolgen konnten.
Wer sich dessen bewusst ist, welche Einbrüche auf den Haushalt des Landkreises durch die in ihrem Ende noch nicht absehbare Coronakrise zukommen werden – nicht anders als in anderen Kommunen und Kreisen – , dem ist klar, dass eine substantiierte fünfjährige Finanzplanung zur Zeit noch eine Rechnung mit mehreren Unbekannten ist. Man kann dann zwar langfristige Perspektiven festlegen, muss aber mehr als bisher auf Sicht fahren und je nach Verfügbarkeit von Bundes- und Landesmitteln ggf. schnell durch Nachtragshaushalte reagieren. Dies alles gilt umso mehr, als dies der letzte Haushalt für die alte Wahlperiode des Kreistages ist. Es ist also möglich, dass die im März gewählten Abgeordneten des neuen Kreistages andere Schwerpunkte als bisher setzen wollen. Sinnvoll wäre es aber gewesen, mögliche Szenarien aufzuzeigen, um spätere Risiken besser abschätzen zu können. Hierzu hätte einbezogen werden können, dass die Hessische Landesregierung für die Zeit bis 2024 den Kommunalen Finanzausgleich sukzessive um jeweils 100 Millionen € verstärkt. Offenbar ist man aufgrund der sich ständig verändernden Situation davor zurückgeschreckt.
Doch ist es gut, dass langfristig verbindliche Festlegungen jetzt noch nicht getroffen wurden, um Raum für neue Entscheidungen und Entwicklungen zu geben. Sollte die Rechnung durch negative Entwicklungen, etwa Rückgang von Staatsleistungen oder dramatisch sinkende Steuereinnahmen, nicht aufgehen, bliebe als letztes Mittel noch die Erhöhung der Kreisumlage. Doch das wollen wir alle nicht, denn damit würden die Lasten nur auf die Ebene der Kommunen verlagert. Diese können schließlich nur noch die Bürgerinnen und Bürger zur Kasse bitten, auch wenn für sie durch Maßnahmen der Landesregierung die Gewerbesteuereinnahmen stabilisiert wurden. Bei der gegenwärtigen Situation ist es aber auch verfehlt, den Umlagehebesatz zugunsten der Gemeinden zu verändern, wie es der von uns abgelehnte CDU-Antrag will.
Es ist müßig, darüber zu streiten, ob in einzelnen Produktbereichen die eingeplanten Geldbeträge noch weiter hätten zusammengestrichen werden können. Jedenfalls ist die immer wieder vorgetragene Forderung, man könne die „Freiwilligen Leistungen“ auf ein Minimum reduzieren, fehl am Platz und kontraproduktiv. Ganz davon abgesehen, dass viele dieser Leistungen auf Beschlüssen unseres Kreistages beruhen, sind – wie etwa bei Transferleistungen – viele der dadurch begünstigten Betroffenen auf die Gelder dringend angewiesen. Insofern besteht Vertrauensschutz, den man nicht ohne weiteres mit dem Ziel der Einsparung aufkündigen kann. Dies betrifft etwa den Bereich des von Frau Dr. Sauer so energisch vorangetriebenen schulischen Ganztagsausbau. Mit ihm können zwar Landesmittel in nicht unerheblicher Höhe akquiriert werden; die entstehenden Zusatzaufgaben muss jedoch der Schulträger selbst stemmen. Hier auf halbem Wege stehen zu bleiben hieße, nicht nur viele Schulen vor den Kopf zu stoßen, sondern auch die Entwicklung zur Ganztagsschule auszubremsen.
Dort jedoch, wo Projekte nach einer kurzen Anlaufphase keine Erfolgsperspektive aufwiesen, ist die Streichung entsprechender Haushaltsmittel angebracht. Dies gilt etwa für die Produktionsschule, die unser Schuldezernent mit Recht gestoppt hat und damit zugleich einen nicht unwesentlichen Einspareffekt erzielt hat. Vielleicht hätte man rechtzeitig auch aus dem Projekt „Plastische Chirurgie“ Heiligenberg aussteigen müssen, als klar wurde, dass der geplante Ausbau dem Denkmalschutz widersprach. Inzwischen kann dieses Projekt nicht mehr rückgängig gemacht werden und die finanziellen Folgelasten müssen getragen werden.
Wenn ich eingangs gesagt hatte, dass die Grüne Fraktion dem Haushaltsentwurf zustimmen wird, heißt dies nicht, dass wir mit allen Gewichtungen und Zielsetzungen vollkommen einverstanden sind. In seiner Einbringungsrede hat der Landrat auf unsere Verantwortung für sieben „elementare Handlungsfelder“ (wie er es nannte) hingewiesen, die im Haushaltsentwurf abgebildet sind. Er nannte dabei „Digitalisierung“, „Bildung und Schule“, „Soziale Gerechtigkeit“, „Mobilität in der Metropolregion“, „Stärkung des Ländlichen Raumes“, „Klimapolitik“ und den Bereich der „Gesundheit“. Wer sich die 16 Produktbereiche des Entwurfs anschaut, stellt fest, dass es eine Vielzahl weiterer Handlungsfelder gibt, die offenbar weniger im Fokus stehen.
Nach wie vor stiefmütterlich behandelt und mit Planstellen weniger bedacht ist etwa der Bereich der Natur- und Landschaftspflege; für die immer mehr an Bedeutung gewinnende Umweltpolitik spielt er eine zentrale Rolle. Mit dem vom Kreistag beschlossenen Prüfauftrag zur Gründung eines Landschaftspflegeverbands wurde von der Koalition ein erstes Ziel in diese Richtung vorgegeben, das bislang im Haushalt noch nicht sichtbar ist. Dass die Klimapolitik als zentrales Handlungsfeld des Kreises nicht auftaucht, ist der Tatsache geschuldet, dass sie in zahlreichen Einzelfeldern beachtet werden muss, beim Schulbau etwa durch energetische Projekte, im ÖPNV durch den Einsatz klimafreundlicher Transportmittel, bis hin zum Straßenbau durch aktive Einplanung eines Radverkehrsnetzes. Die allenthalben angemahnte Verkehrswende muss sich deutlicher als bisher in den Mobilitätskonzepten des Landkreises niederschlagen. Ein künftiger grüner Landrat wird hier nach dem Motto, „Klimaschutz wird vor Ort gemacht“, deutlichere Akzente setzen und entsprechende Umschichtungen im Haushalt vornehmen und damit Prioritäten der Kreispolitik stärker hervorheben.
Dass das Problem der Digitalisierung durch die Einrichtung von WLAN in den Kreisschulen und sonstigen kreiseigenen Gebäuden sowie den Ausbau des Glasfasernetzes bzw. den Breitbandausbau inzwischen in den Mittelpunkt gerückt ist, können wir angesichts des enormen Nachholbedarfs nur begrüßen. Doch wurde nicht immer beachtet, dass Digitalisierung nicht ausschließlich von einer zentralen Steuerungsstelle aus erledigt werden kann. Der Ausbau der Digitalisierung ist kein Selbstzweck; vielmehr ist er als Motor nötig, um die Politikfelder, in denen der Kreis zuständig ist, zu unterstützen oder überhaupt erst zu ermöglichen. Deshalb ist hier auch die Kompetenz der Verantwortlichen einzelner Produktbereiche gefragt. Um ein Beispiel zu nennen: Es mag angehen, dass durch die besondere Situation der Coronakrise digitale Endgeräte für die Schulen zentral und ohne Rücksicht auf die zuständigen Dezernate geordert wurden. Die Frage der Digitalisierung von Aufgaben des Schulträgers muss jedoch grundsätzlich von dem für die Schulen zuständigen Dezernat gelöst werden, von Fall zu Fall auch in Zusammenarbeit mit dem Sozialdezernat. Die zentrale Digitalisierungsstelle sollte dazu eigentlich nur technische Hilfe leisten. Sie darf jedoch nicht unter dem Etikett der Digitalisierung in die Schulpolitik eingreifen. Pädagogische und soziale Gesichtspunkte müssen hier im Vordergrund stehen.
Auch in Fragen der sozialen Gerechtigkeit sollte durch entsprechend eingeplante Haushaltsmittel sukzessive nachgesteuert werden. Dies gilt etwa für das von unserer Koalition initiierte Projekt der Strategischen Sozialplanung. Durch dieses werden die Beratungsdienste besser zu denen gebracht, die ihrer bedürfen. Ein weiterer Schritt ist die von uns personell erweiterte Ombudsstelle, durch die etwaige Fehlentscheidungen unserer Kreisagentur korrigiert werden können, aber auch die Akzeptanz der KfB bei den Betroffenen gestärkt werden kann. Der weitere Ausbau derartiger beratender und korrigierender Instrumente erscheint uns wesentlich wichtiger als das Projekt eines neuen Standorts der Kreisverwaltung. Bei der derzeitigen Haushaltssituation sollte man von ihm ohnehin realistischer Weise Abstand nehmen.
Abschließend möchte ich noch kurz auf die Änderungsanträge eingehen. Über den CDU-Antrag habe ich mich bereits geäußert. Zu den verschiedenen Linken-Anträgen ist zunächst zu sagen, dass sie strenggenommen keine Haushaltsanträge sind, man sie deshalb eigentlich übergehen könnte. Dennoch möchte ich kurz inhaltlich darauf eingehen. Der Antrag zu TOP 12.2 ist rechtlich deshalb nicht umsetzbar, weil der Kreis auf die Umsetzung privatrechtlicher Mietverträge keinen Einfluss nehmen kann. Der Antrag zu TOP 12.3 übersieht, dass ein vor einiger Zeit vom Kreis begonnenes Projekt zur Förderung des sozialen Wohnungsbaus gescheitert ist. Die Koalition wird im nächsten Jahr einen neuen Vorschlag mit einem kooperativen Ansatz vorlegen. Zu AntragTOP 12.4. ist zu bemerken, dass die hier genannten Beratungsstellen gewiss förderungswürdig sind. Doch sind Haushaltsmittel dazu vorhanden. Der Antrag TOP 12.5 wiederholt nur, was in einem ähnlichen Antrag schon vorher abgelehnt wurde. Das gleiche gilt für den Antrag über die Einführung eines Sozialtickets (12.6).. Hier würden voraussichtlich 1,6 Mio. € an Kosten entstehen. Dies erscheint gegenwärtig nicht umsetzbar.
Zu den von der CDU eingebrachten Anträgen ist Folgendes zu sagen: Antrag 12.8 wiederholt eine Forderung, die schon für den diesjährigen Haushalt abgelehnt wurde, da der bisherige Haushaltsansatz für Kreisstraßen ausreicht. Der Antrag 12.9. zur Verstärkung der Schülerbeförderung kann als erledigt angesehen werden, da bereits entsprechende Pläne im Rahmen der personellen und technischen Möglichkeiten bestehen. Antrag TOP 12.10, der den Ankauf weiterer digitaler Endgeräte in den Schulen fordert, ist deswegen abzulehnen, weil er zu unsubstantiiert ist und den konkreten Bedarf nicht nachweisen kann. Teilweise sind auch die Kommunikationsstrukturen noch nicht ausreichend. Und schließlich ist der Antrag TOP 12.11. zur Einführung elektronischer Schulbücher deswegen abzulehnen, weil hier das von der CDU geführte Kulturministerium zuständig ist. Es ist nicht einzusehen, weshalb der Kreis hier in Vorlage treten soll. Für eine entsprechende Initiative sollten die Verbindungen zu Landtag und Landesregierung genutzt werden.
Abschließend möchte ich dazu bemerken: Haushaltsanträge aus der Mitte des Kreistags sind für uns wichtige Denkanstöße; sie bieten Ansatzpunkte für Korrekturen und Richtungsänderungen. Die weitgehende Ablehnung der Anträge haben wir uns nicht leicht gemacht, da wir einige der darin angesprochenen Inhalte durchaus positiv sehen. Doch sind sie im Zusammenhang mit dem vorliegenden Haushalt nicht realisierbar.
Im Ergebnis stimmt also unsere Fraktion dem Haushalt für 2021 zu.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit